Wissenschaftsfreiheit: Die Professoren, der Feind

Nr. 22 –

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Man vergisst es leicht, aber auch früher schon regte sich in den USA der Autoritarismus, und es sassen lange vor Donald Trump abscheuliche Charaktere im Oval Office. In den Fünfzigern gerieten auf Betreiben des Senators Joseph McCarthy Linke, Professor:innen, Künstler:innen und andere Intellektuelle wegen «unamerikanischer Umtriebe» ins Visier der Staatsmacht. Später sabotierte Präsidentschaftskandidat Richard Nixon insgeheim Friedensverhandlungen im Vietnamkrieg, um seine Wahlchancen zu verbessern – eine Ruchlosigkeit, die den Tod Hunderttausender in Kauf nahm und die nebenbei Landesverrat war. Als Nixon dann das Präsidentenamt errungen hatte, merkte er einmal gegenüber seinem Sicherheitsberater Henry Kissinger an: «Die Professoren sind der Feind. Schreiben Sie das hundert Mal an die Tafel, und vergessen Sie es nie.»

Diese Kriegserklärung an die Universitäten zitierte J. D. Vance 2021 in einer Rede, um sie als Worte zu adeln, aus denen «Weisheit» spreche. Inzwischen ist Vance Vizepräsident. Es überrascht also nicht, dass die Regierung Trump die Hochschulen des Landes brachial zu unterwerfen versucht.

Der jüngste Angriff auf die Eliteuni Harvard, die sich bislang dem Druck aus Washington widersetzt hat, ist trotzdem von ihresgleichen suchender Bösartigkeit. Vergangene Woche verkündete die Regierung das Ende der Visaprogramme für ausländische Studierende, die in Harvard immatrikuliert sind. Diese sollten sich anderswo einschreiben, sonst drohe ihnen der Verlust des Aufenthaltstitels. Das Weisse Haus nahm damit fast 7000 junge Menschen in Geiselhaft, um die eigene Agenda durchzudrücken. Immerhin wurde die Anordnung durch eine Bundesrichterin bis auf Weiteres ausser Kraft gesetzt.

Vorgeblich will die Regierung «die Übel des Antiamerikanismus und des Antisemitismus in der Gesellschaft und den Hochschulen ausmerzen». Tatsächlich hat es Grenzüberschreitungen bei den studentischen Protesten gegen Israels Kriegsverbrechen in Gaza gegeben. Trotzdem steht ausser Frage, dass hier der Kampf gegen Antisemitismus schamlos instrumentalisiert wird. (Von den internationalen Harvard-Student:innen, die zwischenzeitlich kein Visum mehr hatten, sind achtzig aus Israel.) Dieses Muster lässt sich genauso in Europa beim rechtspopulistischen Fachpersonal für gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit finden, das plötzlich seine Liebe zu Israel entdeckt hat, obwohl sich bei ihm ideologische Kontinuitäten zum historischen Faschismus leicht ausmachen lassen.

In Wahrheit geht es dem Trump-Lager darum, unabhängige Institutionen und kritische Wissenschaftler:innen gefügig zu machen. Seit Jahren schürt die reaktionäre Internationale aus demselben Grund einen Kulturkampf, klagt über fanatisierte Studierende und verblendete Lehrkräfte, die die Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit bedrohen würden mit ihrer «Cancel Culture». Dabei zeigen die jüngeren Entwicklungen in den USA, woher die eigentliche Gefahr für die liberale Demokratie rührt. Wer heute etwa noch eine rechte Lobbygruppe wie das sogenannte Netzwerk Wissenschaftsfreiheit aus Deutschland ernst nimmt, dem ist nicht mehr zu helfen.

Beispiele dafür, wie Regierungen Hochschulen zu gängeln versuchen, finden sich auch diesseits des Atlantiks. Besonders Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán tut sich hier seit langem hervor. Diesen Leuten ist die universitäre Autonomie ein Dorn im Auge, weil es im Wesen akademischer Forschung und Lehre liegt, tradiertes Wissen zu hinterfragen, althergebrachte Glaubenssätze zu widerlegen. Das ist unvereinbar etwa mit einer Geschichtsschreibung, die die nationale Grossartigkeit herausstreichen soll.

Das heisst nicht, dass alles, was die Wissenschaften hervorbringen, progressiv ist – gerade linke Forscher:innen haben es oft schwer, im akademischen Betrieb Fuss zu fassen. Auch ist wahr, dass Harvard eine Privatinstitution ist, die astronomische Gebühren verlangt und zugleich Milliarden auf den Finanzmärkten parkiert hat. Angesichts von Versuchen, autoritär in den Vorlesungssaal hineinzuregieren, ist das aber sekundär. Wenn erst die Macht diktiert, was und wie gedacht werden darf, ist dem Campus aller Geist ausgetrieben.