SP Zürich: Keine Lust, die Macht zu teilen

Nr. 27 –

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Als klar war, dass ihr Name nicht auf dem SP-Ticket für die Zürcher Stadtratswahl stehen wird, erhielt Mandy Abou Shoak den vielleicht lautesten Applaus dieses schwülen Sommerabends. Fast schon erleichtert wirkten die Delegierten, dass mit Céline Widmer und Tobias Langenegger zwei prominente Gesichter der städtischen Sozialdemokratie ins Rennen steigen werden: Herausforderung erfolgreich gemeistert. Tatsächlich?

Die SP Zürich ist in ihrem Selbstverständnis eine mächtige, machtbewusste Sektion. Die künftige Regierung bestimmt man gleich an der eigenen Versammlung. Auch wenn man dabei den Blick für die Realitäten in einer Stadt verliert, in der längst die Hälfte eine Migrationsgeschichte hat. So wie Abou Shoak, die sich ungefragt in die Mission Machterhalt einmischte.

Nach bloss zwei Jahren im Kantonsrat fehle es ihr an «Erfahrung», erklang es in den Medien wie aus der SP. Dabei ist schon das Wort Teil des Problems. Als wäre die «Ochsentour» in der Partei der einzig richtige Weg. Als ob es nicht auch andere Erfahrungen gäbe, die neues Wissen in die Politik tragen: etwa jene von Abou Shoak, die als Kind im Asylheim lebte, deren Vater im Sudan Journalist war und in der Schweiz auf dem Bau schuftete.

Viel war an diesem Abend von Mut die Rede: jenem etwa, den die SP mit einer Nomination von Abou Shoak beweisen würde. Fast schon mutig ist ihre Nichtnomination. Oder wie es die ehemalige SP-Campaignerin Andrea Arežina in ihrer Fürsprache für die Schwarze Feministin formulierte: «Diese Nominierung ist kein Wagnis, sie ist eine Annäherung» – an jene Realitäten, die die SP zu repräsentieren vorgebe.

Für Abou Shoaks Unterstützer:innen war das Resultat eine herbe Enttäuschung, einige konnten ihre Tränen nicht zurückhalten. «Wir sind für euch gut genug, um die Wahllisten bunter zu machen, aber wenn es um echte Entscheidungsmacht geht, bleibt der Zugang verwehrt», schrieben Prominente wie die Schriftstellerin Melinda Nadj Abonji und der Filmemacher Samir in einem offenen Brief «an die linken Parteien der Schweiz». Tatsächliche Veränderung beginnt erst dort, wo Macht geteilt wird. Und das wiederum geschieht nicht, ohne dass jemand auf die eigenen Privilegien verzichtet.