Science-Fiction: Monster für das Manchild

Nr. 35 –

Egomane Oligarchen und technologische Machbarkeitsfantasien: Die Zukunftsszenarien von Serien wie «Alien: Earth» oder «Foundation» wirken gar nicht so fernab vom Heute.

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Still aus der TV-Serie «Foundation»: der Thronfolger (Cassian Bilton) und seine androide Beraterin (Laura Birn)
Geschichte als manipulierbarer Zeitstrahl: Der Thronfolger (Cassian Bilton) und seine androide Beraterin (Laura Birn) in der Serie «Foundation». Foto: Apple TV

Science-Fiction erzählt von zukünftigen Welten, aber auch von sehr gegenwärtigen Fantasien oder Stimmungen. So war dieses Frühjahr das Finale der Serie «Andor» zu sehen, die den «Star Wars»-Stoff in einen Spionagethriller verpackte: Die Kritiken für das Widerstandsepos fielen auch deswegen so begeistert aus, weil es nur zu gut mit dem Vibe des heutigen Autoritarismus resonierte.

Leitmotivisch wurde in «Andor» etwa ein Manifest zitiert, das die Natur der Macht erörterte, indem es versuchsweise die Perspektive der Unterdrücker einnahm. Herrschaft bedürfe, heisst es darin, des fortwährenden Kraftakts, weil sie per se widernatürlich sei: Immerzu bröckle sie oder stehe kurz davor, weil Akte des Aufbegehrens überall zu finden seien und die Front zugunsten der Revolution verrückten. Man kam kaum um den Eindruck herum, dass die «Andor»-Autor:innen Traktate linker Aufstandstheorie studiert haben müssen, um sich ihre Kreativität trotz der deprimierenden Lage in den USA zu bewahren.

Wieder spritzt die Säure

Verfasst wurde besagtes Manifest von einer Figur, die der englische Darsteller Alex Lawther verkörperte. Lawther spielt nun auch eine Hauptrolle in der neuen Serie «Alien: Earth», die das mit Ridley Scotts Horrorklassiker von 1979 etablierte Franchise weiterspinnt. Produzent und Autor Noah Hawley erzählt darin von einem Raumschiff, das mit fremden Lebensformen an Bord auf der Erde bruchlandet. Die ausserirdischen Organismen erweisen sich als wenig friedliebend: Menschen zerfleischen sie in Sekundenschnelle, und aus Wunden bluten sie nicht, sondern verspritzen Säure – so, wie es bei «Alien» traditionell der Fall ist.

Allerdings muss man auch hier nicht lange warten, bis die Story plötzlich sehr gegenwärtig wirkt. Der zweite Erzählstrang dreht sich um den «jüngsten Billionär der Welt»: Das egomane Milchgesicht namens Boy Kavalier (Samuel Blenkin) ist der Boss eines der Megakonzerne, die den Planeten regieren, und hängt exzentrischen Visionen nach. Leicht, hier eine Anspielung auf das eine oder andere «manchild» aus der heutigen Techbranche zu erkennen.

Der überreiche Grosskotz hat eben noch sein Personal daran werkeln lassen, das Bewusstsein todkranker Kinder auf synthetische Körper zu übertragen, um so die Menschheit von den Fesseln einer endlichen Biologie zu befreien. Als er nun vom abgestürzten Raumschiff hört, schickt er die erste Generation seiner «Synthies» auf Bergungsmission, was in unschönen Konfrontationen mit den Killerorganismen aus dem All resultiert.

In den bislang verfügbaren Folgen wirkt dieser Plot allerdings noch etwas zusammengeschustert, auch gerade wegen der Aktualitätsbezüge: Wenn etwa ein Androide einmal sphinxhaft fragt, wann eine Maschine keine Maschine mehr sei, so ist das ein überdeutlicher Fingerzeig, jetzt ja nur an die als «künstliche Intelligenz» vermarkteten Tools zu denken.

Mathematik rettet die Welt

Interessanter ist da die Prämisse, auf der die Serie «Foundation» beruht, von der gerade die dritte Staffel läuft. Die dieser zugrunde liegenden Romane von Isaac Asimov (1920–1992) drehen sich um die Frage nach der Beherrschbarkeit von Geschichte: Mittels Auswertung gewaltiger Datenmengen ist es einem Mathematiker gelungen, ein Verfahren zur Berechnung gesellschaftlicher Megatrends zu entwickeln, eine Wunderdisziplin namens «Psychohistorik», die im Fall des Äussersten dabei helfen könnte, einen Zivilisationskollaps abzuwenden.

Asimov selbst nannte Edward Gibbons Geschichtswerk «Verfall und Untergang des Römischen Reiches» als Inspiration für «Foundation», es ist aber wohl kein Zufall, dass der US-Schriftsteller den Plot Anfang der vierziger Jahre entwickelte, als er Zeuge der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs war.

Der Zeitpunkt für eine Neuinterpretation der Romane ist gut gewählt, herrscht doch derzeit an technischen Machbarkeitsfantasien in einer abermals düsteren Weltlage kein Mangel. Tatsächlich funktioniert die Geschichte auch auf dem Bildschirm, obwohl eine sich über Jahrhunderte erstreckende Handlung auch für eine Serienadaption eher sperriger Stoff ist. Jared Harris spielt Hari Seldon, der den Zorn der galaktischen Herrscherdynastie auf sich zieht, eben weil er deren Untergang kalkuliert hat – die Familie ist bereits seit mehr als 10 000 Jahren am Drücker, da hört man solche Prognosen nicht gern. In Staffel drei steht nun das Ende in ein paar Monaten bevor, weswegen der amtierende Regent (Lee Pace) plötzlich eine drollige Aussteigerattitüde kultiviert. Derweil versuchen Seldon und seine hochbegabte Schülerin Gaal Dornick (Lou Llobell), trotz des drohenden soziopolitischen Armageddons den Fortbestand kultureller Errungenschaften zu sichern.

Man hat es hier also sozusagen mit Prepper:innen zu tun, die die Disziplin der Kollapsologie in ungeahnte Höhen katapultieren. Dass die Handlung von «Foundation» schon vor Jahrzehnten ersonnen wurde, führt vor Augen, dass technokratisches Lösungsdenken nicht erst seit neustem die Fantasie beflügelt. Die andere Botschaft wirkt wie eine Mahnung an die da oben: Eure Machtfülle mag heute noch grenzenlos erscheinen, doch die Mühlen der Geschichte mahlen unerbittlich.

«Foundation», Staffel 3. Idee: David S. Goyer und Josh Friedman. USA 2025. Apple TV plus.

«Alien: Earth», Staffel 1. Idee: Noah Hawley. USA 2025. Disney plus.