Literatur: Flashbacks und auch mal ein Trip
Die Zutaten für einen klassischen Heimatkrimi sind gegeben: ein Mord und eine spannungsgetriebene Handlung, die sich auf Zürcher Schauplätzen abspielt. Zwei Männer werden in der Nähe des Bahnhofs Altstetten aufgefunden, der eine tot, der andere bewusstlos und schwer verletzt. Paul Bärtsch, der den Angriff überlebt, leidet unter Amnesie und wird von traumatischen Flashbacks heimgesucht.
Doch die krimihafte Ausgangslage täuscht. WOZ-Wissenschaftsredaktorin Franziska Meister interessiert sich in ihrem Debütroman «Der Geruch von Lehm», erschienen im Zürcher Verlag Zeitkind, weniger für die Aufklärung des Verbrechens als für die Hinterbliebenen – ihre Trauer, ihre Traumata, vor allem aber die Beziehungsdynamik, die dieser gewaltsame Verlust in Gang setzt. Etwa in der Begegnung zwischen dem feingeistigen Paul und Florence, der Schwester des Verstorbenen. Ihre Annäherung entwickelt sich behutsam, aber sie wirkt heilsam. Und sie lernen Seiten des verstorbenen Freundes und Bruders kennen, von denen sie zu dessen Lebzeiten nichts wussten. Dabei schwingt auch immer diese eine Frage mit: Hatte er etwas zu verbergen?
Dann ist da noch Dominik, ein erfolgreicher Psychiater, der in Zürich zum therapeutischen Potenzial von LSD forscht und dabei gelegentlich seine Macht missbraucht, nicht nur beruflich. Abwechselnd teilen die drei Figuren ihre Sicht der Dinge mit. Gelegentlich wirken ihre Stimmen künstlich, als diene die Figurenrede vornehmlich dem Zweck, den Leser:innen zu erklären, wen sie vor sich haben. Bei Dominiks erstem Monolog erfährt man etwa gleich alles über seinen Werdegang und wie er zu Paul steht.
Berauschend hingegen sind jene Passagen, in denen bewusstseinsverändernde Zustände beschrieben werden, etwa Flashbacks oder auch mal ein LSD-Trip. Dann beginnt die Sprache zu taumeln, und man verliert als Leserin für einen Moment die Orientierung, taucht doch noch ein. Und bleibt drin. Weil man dem Rätsel der Mordnacht in Altstetten auf die Spur kommen möchte. Ein bisschen Krimi ist das Buch dann doch.
