Wahlen 2019

19.00: Eine kleine Revolution

Der heutige Wahlsonntag ist eine Revolution. Zumindest eine kleine: Die Grünen gewinnen im Nationalrat gemäss der zweiten Hochrechnung 16 Sitze dazu. Zusammen mit den 8 neuen Sitzen der GLP wird die Schweiz damit ein gutes Stück grüner. Doch die Schweiz wird, trotz der unerwarteten Sitzverluste der SP (-4 Sitze), auch ein gutes Stück linker; die Grünen hatten sich etwa in der Steuer-AHV-Reform klar links der SP positioniert – und ihnen möglicherweise auch deshalb WählerInnen abgerungen.

Die grosse Verliererin des heutigen Wahlsonntags ist die SVP (-11 Sitze), die noch auf 54 Sitze kommt – das schlechteste Ergebnis seit zwanzig Jahren. Damit verlieren SVP und FDP (-4 Sitze) auch deutlich ihre Mehrheit von 101 Sitzen im Nationalrat.

Die Politik des Landes wird damit nicht auf den Kopf gestellt, doch die Wahl wird für einige Bewegung in Bundesbern sorgen. Am meisten Schwung wird es in der Klimapolitik geben, wo Grüne, SP und GLP der CVP und FDP Dampf machen werden (die SVP hat sich weitgehend aus der Debatte zurückgezogen). Das CO2-Gesetz, das im Nationalrat von SVP und FDP regelrecht zerrupft worden war, kommt nach dem Ständerat – der etwas progressiver ans Werk ging – nach den Wahlen erneut in die grosse Kammer. Ein guter Tag ist die Wahl auch für die gesellschaftspolitische Öffnung der Schweiz: Bei der Gleichstellung, teilweise aber auch in Migrationsfragen können SP und Grüne zusammen mit der GLP die Zukunft angehen.

Doch das ist nicht alles. Im zentralen Europadossier werden die Vorgaben zwar in Brüssel gemacht, das ein EU-Rahmenabkommen mit der Schweiz nur mit einem schwächeren EU-konformen Lohnschutz will. Doch es hilft, dass sowohl das proeuropäische Lager im Parlament grösser wird als auch jenes, das gleichzeitig einen starken Lohnschutz fordert.

Mehr Spielraum wird es auch in der Sozialpolitik geben, wo die grosse Rentenreform ansteht. Ohne SVP-FDP-Mehrheit im Nationalrat werden hier Kompromisse der Linken mit der CVP, die sich beinahe halten konnte (-2 Sitze), wieder möglich. Vielleicht am wichtigsten ist der sozialere, gesellschaftspolitisch offenere und grünere Zeitgeist in der Bevölkerung, der sich im Wahlresultat zeigt. Denn am Ende brauchen grosse Dossiers wie Europa oder die Rentenreform die Unterstützung der Bevölkerung an der Urne.