China: 26 neue Atomkraftwerke geplant

Auf den ersten Blick spielt die Atomkraft in China eine bescheidene Rolle. Das Land ist bekannt für seine Kohlekraftwerke mit ihrem umweltschädigenden Kohlendioxid-Ausstoss sowie für seine gigantischen Staudammprojekte. Atomkraftwerke stillen nur gerade 1,4 Prozent der landesweiten Stromnachfrage.

Allerdings ist die Kernkraft im Aufbruch. Chinas ungeheures Wirtschaftswachstum erfordert eine ständig steigende Stromproduktion. Dazu werden alle Ressourcen benötigt. Zu den bisherigen neun AKW, die bereits am Netz sind, sollen 26 neue dazukommen. Bis 2020 soll die Kapazität aus Atomstrom auf 36000 Megawatt vervierfacht werden.

Atomenergie hat in China einen entscheidenden Vorteil: Sie kann dort produziert werden, wo sie gebraucht wird, nämlich in der boomenden Küstenregion im Osten des Landes, wo die Stahlfabriken und Hightechparks stehen. Zwar verfügt China über grosse Kohle- und Wasserkraftressourcen, aber diese liegen vor allem in den westlichen Provinzen, oft tausende Kilometer ab vom Wirtschaftstreiben.

China verfügt über ausreichende Uranvorkommen, sodass es sich nicht zusätzlich vom Ausland abhängig macht. Allerdings stammt die Atomtechnologie oft aus dem Ausland. Sechs der neun arbeitenden AKW sind westliche Modelle. Chinas Beitritt zur Welthandelsorganisation WTO wird auch weiterhin garantieren, dass Firmen aus Frankreich, Kanada, Russland und den USA Hauptakteure im Streit um die lukrativen Stücke des chinesischen Atomkuchens bleiben.

Die Sicherheit in Chinas Kernkraftwerken sei gut, sagt Xu Yuming, ein chinesischer Experte für Atomkraft. Seit Strom aus AKW in Chinas Leitungen fliesst, habe es noch keine Zwischenfälle mit einer Gefährlichkeitsstufe über zwei gegeben. Die internationale Skala reicht von eins bis sieben.

Der Hauptgrund, weshalb China bisher nicht stärker in die Atomenergie investiert hat, liegt darin, dass wegen der reichlichen Kohlereserven die thermischen Kraftwerke eine billigere Alternative darstellen. «Die Verteilung der Energieproduktion spiegelt die Rohstoffvorkommen wider», so Professor Wang Xiaodong, Energiespezialist der Weltbank. «Kohle ist nun mal am einfachsten verfügbar. Aber die Regierung erkennt die negativen Konsequenzen und versucht zu diversifizieren.» China erzeugt heute 431 Gigawatt Strom, über drei Viertel davon werden mit Hilfe von Kohle produziert. Und obwohl dieser Anteil bis 2020 sinken soll, wird dann wegen der explodierenden Stromnachfrage trotzdem doppelt so viel Kohle pro Jahr wie heute verbrannt.