Das Morden geht weiter

Die nach den Kommunalwahlen Ende Oktober von Uno-Verwalter Bernard Kouchner verkündete Rückkehr des Kosovo in die Familie der Demokratien bleibt ein frommer Wunsch. Die Minderheiten sind nach wie vor in ihrer Existenz bedroht, die ethnischen Säuberungen gehen weiter – trotz der Präsenz von 50 000 Kfor-Soldaten. Ein besonders krasses Beispiel ist die Ermordung von vier Aschkali (albanischsprechende Roma) am vergangenen 8. November, kurz nach ihrer Rückkehr in ihren Heimatort rund 50 Kilometer westlich von Pristina. Die Aschkali waren im Juli 1999 aus ihrem Dorf vertrieben worden und hatten die letzten eineinhalb Jahre als Flüchtlinge in der Kleinstadt Kosovo Polje gelebt. Das Hochkommissariat für Flüchtlinge der Uno (UNHCR) hatte die Rückkehr der vier Aschkali – drei Familienväter und ein 15-jähriger Knabe – minuziös vorbereitet. Nachbarn und Gemeindevorsteher waren kontaktiert und in die Planung der Rückkehr einbezogen worden. Die vier Männer, welche ihre Familien nachholen wollten, hatten erst gerade begonnen, ihre zerstörten Häuser wieder aufzubauen. Knapp 48 Stunden nach ihrer Ankunft wurden sie erschossen aufgefunden.
Nach Angaben des European Roma Rights Center (ERRC) in Budapest sind Roma und Aschkali im Kosovo seit Ende der Nato-Angriffe massiver Gewalt durch kosovo-albanische Extremisten ausgesetzt, die sie aus der Provinz vertreiben wollen. Das ERRC berichtet von Morden, Entführungen, Vergewaltigungen und der Zerstörung ganzer Siedlungen. Mehr als die Hälfte der Roma und Aschkali aus dem Kosovo lebten ausserhalb der Provinz, weitere hielten sich als Vertriebene innerhalb des Kosovo auf. Die Verbliebenen leben in Gettos und können ihre Wohngebiete kaum verlassen. Die Situation der Minderheiten sei äusserst prekär, schreibt auch die Uno-Übergangsverwaltung (UNMIK) in einem Bericht von Ende Oktober. Roma und Aschkali seien von «anhaltenden Tötungen» betroffen. Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) verlangt eine internationale Untersuchungskommission.
Von den Schweizer Behörden fordert die GfbV, dass die Angehörigen aller Minderheiten aus dem Kosovo endlich vorläufig aufgenommen werden. Entsetzen über den Mord äusserte auch Kouchner, der wenige Tage zuvor noch «stolz auf das Volk von Kosovo» gewesen war. «Wir finden die Verantwortlichen», versprach er. Auch wenn es Wochen, Monate oder Jahre dauere. Eine ganz realistische Einschätzung, zieht man die chronische Ineffizienz und Schwäche der Uno-Polizei in Betracht.