Wachsende Kritik an KFOR und Uno

Die Spannung zwischen der albanischen Mehrheit und den noch nicht geflohenen SerbInnen eskaliert. Die Uno-Verwaltung kann nicht einmal ein einheitliches Rechtssystem durchsetzen.

Es sei ein «Downgrading» in der offiziellen Sprachregelung im Gang, heisst es inoffiziell bei der OSZE-Vertretung: Man spreche nicht mehr vom multiethnischen Zusammenleben, sondern nur noch von der friedlichen Koexistenz der Volksgruppen im Kosovo. «Wenn Serben und Albaner nicht zusammenleben können, so können sie wenigstens zusammenarbeiten», hofft Bernhard Kouchner, der Chef der Uno-Übergangsverwaltung (Unmik). In Kosovska-Mitrovica können sie es nicht: Der Kontakt zwischen dem selbst ernannten albanischen Bürgermeister Bajram Rexhepi und dem Vertreter des serbischen «Nationalrats», Oliver Ivanovic, ist seit den Unruhen abgebrochen. Die Stadt, von der Ibar in einen nördlichen, vorwiegend serbischen und einen südlichen albanischen Teil geteilt und durch zwei schwer bewachte Brücken mehr getrennt als verbunden, ist zum Brennpunkt eines eskalierenden Konflikts geworden, in dem am 13. Februar erstmals auch westliche Soldaten (Kfor) ins Visier genommen wurden, wahrscheinlich von albanischen Heckenschützen.

Dies könnte der Anfang einer Entwicklung sein, in der diese Truppen nicht mehr als «Befreier», sondern als «Besatzer» empfunden werden. «Sie sind zu passiv, jedenfalls die Franzosen», schimpft Rexhepi. «Wir selber könnten effizienter für Ordnung sorgen.» Hacim Thaci, einer der Führer der Albanischen Befreiungsarmee (UCK), Zögling der US-Aussenministerin Madeleine Albright und Mitglied des von Kouchner installierten «Übergangsrates», befindet sich derweil auf einer semantischen Gratwanderung: «Wer die Albaner gegen die Kfor aufbringt, ist ein Feind von Kosova», sagte er der Zeitung «Zeri» und kritisierte gleichentags gegenüber Reuters die französischen Soldaten in Mitrovica, die den Serben freies Spiel liessen. Die OSZE, mit einem Regionalzentrum vor Ort vertreten, ist derzeit zum Zuschauen verurteilt. «Es ist wichtig, dass ein neutraler Beobachter die Ereignisse verfolgt und darüber berichtet», sagt Carolyn McCool, die Leiterin des Zentrums. «Wir müssen der überbordenden Gerüchteküche etwas entgegenhalten.»

Der jüngste Konflikt in Mitrovica hat eine kürzere und eine längere Vorgeschichte. Die kürzere geht auf den 1. Februar zurück. In Skenderaj/Srbica, einer Hochburg der UCK, findet man an diesem Tag einen ermordeten Albaner. Am nächsten Tag feuern Unbekannte eine Rakete auf einen eskortierten Bus des Uno-Flüchtlingswerks (UNHCR) ab. Zwei Serben sterben. Nun brechen im Abstand von einer Woche zwei Gewaltwellen über Mitrovica herein, bei denen neun Menschen sterben und 920 AlbanerInnen aus dem Norden der Stadt fliehen. Mit Razzien und verstärkter Präsenz versucht die Kfor seither Ruhe und Ordnung wiederherzustellen. Und hat nur mässigen Erfolg: Mit Mühe und viel Tränengas gelang es, am letzten Montag fünftausend albanische Demonstranten am Überqueren der Brücke zu hindern.

Die längere Vorgeschichte verweist auf die notorisch schlechte Sicherheitslage, die nicht nur der Kfor und ihrer auf Selbstschutz ausgerichteten Einsatzdoktrin oder der ungenügenden Zahl von Zivilpolizisten angelastet werden kann. Der schleppende und pannenreiche Weg zu einer funktionierenden Justiz hat grossen Anteil daran. «Das Rechtswesen ist in einer ernsten Krise und unfähig, den Bedürfnissen im Kosovo gerecht zu werden», schreibt in ihrem jüngsten Bericht die OSZE-Abteilung «Rule of Law and Human Rights». Adressat ist Unmik und an ihrer Spitze Bernhard Kouchner. Die Kritik ist begründet. Weil die Resolution 1244 des Sicherheitsrates, auf die sich die Uno-Präsenz im Kosovo stützt, keine Angaben über das anzuwendende Recht macht, wurde automatisch das serbische Strafrecht übernommen. Denn der Kosovo ist formal immer noch Teil Jugoslawiens. Kouchner setzte per Dekret 55 Richter ein, darunter 47 Albaner, die sich weigerten, serbisches Recht anzuwenden, und stattdessen auf das Recht aus der Zeit des autonomen Kosovo (vor 1989) zurückgreifen wollen. Zwar sind die Unterschiede belanglos, dennoch eröffneten die zwei parallel existierenden Rechtsordnungen die Möglichkeit, jedes Urteil aus formalen Gründen anzufechten. Der Kompromiss, der aus dieser unhaltbaren Situation führen soll, besagt, dass die für den Angeklagten jeweils günstigere Variante angewendet werden soll. Keine sehr glückliche Lösung.

Schlimmer ist allerdings, dass der Justizapparat personell krass unterbesetzt ist und die Minderheiten darin kaum vertreten sind. In Zukunft sollen erfahrene «internationale» und frisch ausgebildete lokale Richter die Lücken füllen und für Urteile ohne Ansehen der Herkunft sorgen. In Mitrovica musste die Vereidigung der neuen Richter allerdings infolge der Unruhen bis auf weiteres verschoben werden.