Die Euphorie der Protektoren

Und wieder ein «historischer» Tag auf dem Balkan: Am Samstag gingen im Kosovo die ersten Wahlen nach der Nato-Intervention über die Bühne. Entgegen allen Prognosen nahm die Gewalt während der Wahlkampagne nicht zu, sondern ab. Ein Hinweis darauf, dass der bisherige Gewaltpegel im Kosovo nicht einfach naturwüchsig war, sondern politischem Kalkül entsprang. Bei den Kommunalwahlen hingegen ging es darum zu zeigen, dass der Kosovo reif für Demokratie und Unabhängigkeit sei. Entsprechend wurden Übergriffe unterbunden. Das Resultat ist eindeutig: Die Partei des gemässigten Ibrahim Rugova trug mit 60 Prozent den Sieg davon, während der politische Arm der UCK, die PDK von Hashim Thaci, nur knapp 30 Prozent der Stimmen erhielt. Auch dies ist eine gute Nachricht.
Dennoch wirkt die Euphorie, mit der die internationalen Protektoren Bernard Kouchner (Unmik) und Daan Everts (OSZE) den Wahlgang kommentierten, reichlich deplatziert. «Volk vom Kosovo: Heute habt ihr mich stolz gemacht», rief Kouchner exaltiert. Everts hiess den Kosovo willkommen «in der grossen Familie der Demokratien». Dazu fehlt noch einiges. Zum Beispiel die Einbindung der serbischen Minderheit in den politischen Prozess. Es ist zynisch, wenn Kouchner behauptet, der serbische Wahlboykott sei bloss auf den Druck von Slobodan Milosevic zurückzuführen. Solange fundamentale Rechte der serbischen Minderheit, ja sogar ihre schlichte Existenz, von der albanischen Mehrheit nicht akzeptiert werden, gibt es keine Demokratie im Kosovo.
Frappant ist auch die Kluft zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung der internationalen Administration. Seit über einem Jahr kritisieren unabhängige Beobachter die fehlende Rechtssicherheit im Kosovo. Trotz immensem logistischem Aufwand ist es bis heute nicht gelungen, eine effiziente Polizei aufzustellen. Das Justizsystem funktioniert schleppend, die Richter urteilen ethnisch voreingenommen. Der Direktor der OSZE-Menschenrechtsabteilung, Rolf Welberts, der in einem kurz vor dem Urnengang veröffentlichten Bericht diese Missstände kritisierte, verliess die Wahlkommission mit der Begründung, die Voraussetzungen für freie Wahlen seien nicht gegeben.
Aber die Chancen für die Stabilisierung der Region sind nach den Wahlen im Kosovo und dem Wechsel in Jugoslawien gestiegen. Auch wenn sich am gegenseitigen tiefen Misstrauen vorerst nichts ändert, eines ist Albanern und Serben gemeinsam: der Wunsch, sich Europa zu nähern. Damit bekommt der Westen eine weitere Chance. Nach den serbischen Wahlen im Dezember sind Gespräche über den künftigen Status des Kosovo unabdingbar. Es schadet nichts, wenn sie jahrelang dauern. Hauptsache, der Westen versteht es, ein Verfahren durchzusetzen, in dem Gewalt kategorisch ausgeschlossen ist.