Ecuador: Streit um neue Mega-Pipeline: Wenn die Röhre bebt

In Ecuador protestieren AnwohnerInnen und UmweltaktivistInnen gegen den Bau einer neuen Öl-Pipeline, die elf Naturschutzgebiete durchkreuzen soll.

Seit in Ecuador genaueres zum Bau der 503 Kilometer langen Öl-Pipeline «Oleoducto de Crudo Pesado» (OCP) bekannt geworden ist, haben sich die Auseinandersetzungen um das Megaprojekt zugespitzt. Zur Wehr setzen sich AnwohnerInnen der betroffenen Gebiete und UmweltschützerInnen, und das aus gutem Grund: Die Röhre, die vom ecuadorianischen Amazonasgebiet bis zum Pazifischen Ozean führen soll, müsste hierbei eine erdbebengefährdete Zone entlang sechs aktiven Vulkanen durchqueren. Elf Naturschutzgebiete wären bedroht. Doch das OCP-Konsortium, dem von Repsol-YPF, Occidental Oil bis zur Agip sieben transnationale Ölunternehmen angehören, versucht die Proteste im Keim zu ersticken.

Zu Ostern wurden zwanzig UmweltschützerInnen aus einem Protestcamp bei Mindo – einem Dorf, zwei Stunden nordwestlich der Hauptstadt Quito – verhaftet. Unter ihnen befanden sich vierzehn AusländerInnen, unter anderem aus der Schweiz und den USA. Neun von ihnen wurden des Landes verwiesen und mit einer Einreisesperre von fünf Jahren belegt. Weitere zehn Personen kamen nach einer Woche Untersuchungshaft wieder frei: Die richterliche Anhörung hatte die Unrechtmässigkeit der Verhaftungen zutage gefördert. Die Umweltorganisation Acción Ecológica mit Sitz in Quito ist überzeugt, dass hinter den willkürlichen Verhaftungen und Ausschaffungen das OCP-Konsortium steckt. Ihre Sprecherin Natalia Arias berichtet, dass die OCP sowohl die Busse zum Transport der Verhafteten stellte als auch für das Essen der an der Operation beteiligten Polizisten aufkam. Der Anwalt Raúl Moscoso betonte in Quito, dass die Aktion der Polizei ohne Absprache mit einer richterlichen Behörde stattfand. Gegen fünf ecuadorianische StaatsbürgerInnen leitet die Justiz unterdessen dennoch Strafverfahren wegen Sachbeschädigung und Nötigung ein. Sie hätten durch das Protestcamp in dem Naturschutzgebiet bei Mindo die Bauarbeiten behindert. Die NaturschützerInnen halten dagegen, dass während der Zeit des Protestcamps der Bau infolge einer fehlenden Lizenz ohnehin unterbrochen gewesen sei.

Bereits im Januar war es bei Mindo zu Auseinandersetzungen gekommen. Seit dem 3. Januar hält die Bevölkerung einen Hügel besetzt, über den die Pipeline führen soll. Die EinwohnerInnen von Mindo haben landesweit eine führende Rolle im Widerstand gegen die Pipeline übernommen. Bei ihnen soll die Röhre durch einen Nebelwald und eines der artenreichsten Vogelschutzgebiete Südamerikas führen. Von den in dem geschützten Gebiet lebenden 450 Vogelarten sind 46 vom Aussterben bedroht. Die örtliche Bevölkerung lebt zum grössten Teil vom Tourismus. Sie sieht durch die Pipeline ihre Existenzgrundlage gefährdet.

Durch die neue Pipeline soll doppelt so viel Erdöl an die Küste transportiert werden wie bisher. Acción Ecológica listet für die letzten Jahre allein 49 Pipeline-Unfälle auf, bei denen nach Erdbeben oder Erdrutschen 68 Millionen Liter Öl ausflossen. Mit der Errichtung der 1,1 Milliarden US-Dollar teuren Pipeline soll die Ölförderung in Ecuador um das Doppelte gesteigert werden. Ab kommendem Jahr, so der Plan, sollen durch die neue Röhre zusätzlich bis zu 450 000 Barrel ecuadorianisches Rohöl an die Küste gebracht werden. Bereits in den vergangenen Jahrzehnten wurden infolge der Ölbohrungen im ecuadorianischen Amazonasgebiet tausende von Hektaren Urwald zerstört und das Wasser verschmutzt. Am stärksten davon sind die indianischen Gemeinschaften betroffen. Nach Aussage von UmweltschützerInnen ist die Krebsrate in den betroffenen Gebieten enorm in die Höhe geschnellt.

Die vom Pipeline-Bau betroffene Bevölkerung wurde von den Erdölfirmen nie konsultiert. Im Gegenteil. Viele Bauern und Landbesitzer wurden unter Druck gesetzt, damit sie ihre Grundstücke verkauften. «Es ist ganz simpel: Wenn wir überleben wollen, müssen wir unsere Natur erhalten», sagt Wilfrido Vaca, Aktivist aus Mindo. «Wir dürfen einem so riskanten Projekt nicht zustimmen.» Finanziert wird die neue Pipeline überwiegend von Banken aus Europa und den USA, darunter die US-amerikanischen Finanzinstitute Citybank und Morgan Chase und die Westdeutsche Landesbank (WestLB).