Konzernverantwortung: Genfer Deals auf Kosten des Amazonas
Ein neuer Report enthüllt: Die Schweizer Grossbanken Credit Suisse und UBS finanzieren mit Hunderten Millionen den Handel mit Öl aus Ecuador. Die Ölförderung im Amazonasgebiet verursacht schwere Schäden an Menschen und Umwelt.
Es gibt kaum Medienberichte über die Umweltkatastrophe, die Coronakrise liess die Redaktionen andere Prioritäten setzen: Am 7. April beschädigte ein Erdrutsch drei Ölpipelines, die am Ufer des ecuadorianischen Flusses Coca verlaufen. Bis der Schaden behoben werden konnte, flossen 15 800 Fass Öl in den Fluss – das sind 2,5 Millionen Liter.
Indigene Gemeinschaften, die flussabwärts leben, sahen ihre Ufer verschmutzt, das Trinkwasser wurde ungeniessbar, die Fische in den Netzen waren voller Öl. «Die Familien haben zu wenig zu essen, können nirgendwo baden, erhalten nirgendwo Trinkwasser», sagte noch Wochen später Marcia Andi, Präsidentin der betroffenen Gemeinde Mushuk Llacta, gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. Laut der Anwältin María Espinosa sind rund 27 000 Menschen aus den indigenen Gemeinschaften der Kichwa und der Shuar betroffen. Indigene Organisationen kritisierten die geringe Hilfe der Regierung für die Opfer des Öllecks.
Credit Suisse auf Platz zwei
Das Ereignis wirft ein Schlaglicht auf die Ölförderung des südamerikanischen Landes ganz im Westen des Kontinents, bei der es immer wieder zu Umweltschäden und Menschenrechtsverletzungen kommt. Doch es wirft auch einen Schatten auf die Schweiz. Das zeigt ein Bericht der Organisationen Amazon Watch und Stand Earth, der am Mittwoch veröffentlicht wurde: Das Ölgeschäft wird von Rohstoffunternehmen organisiert, die vorzugsweise von Genf aus operieren. Zudem werden die Deals zu einem grossen Teil von Schweizer Banken finanziert.
Die Schweizer Grossbank Credit Suisse hat allein für den Ölhandel mit Ecuador seit 2009 fast 1,8 Milliarden US-Dollar bereitgestellt, die UBS über 850 Millionen. Man wisse das, weil die AutorInnen des Berichts die Frachtbriefe derjenigen Öltanker ausgewertet hätten, die die USA anliefen, sagt Kostudienautor Tyson Miller der WOZ. Auf diesen Frachtbriefen findet sich der Name der Banken, die den Handel finanziell abgesichert haben und bei Insolvenz des Empfängers Anspruch auf die Ware hätten. Im Fall von Ecuador sind es vorzugsweise europäische Finanzinstitute, mengenmässig belegt die Credit Suisse den zweiten und die UBS den fünften Platz (den ersten Platz belegt ING Belgium).
Am Geschäft mit dem ecuadorianischen Öl verdienen viele. Nationale wie internationale Förderunternehmen holen das Öl im Amazonasgebiet aus dem Boden und pumpen es per Pipelines an die Pazifikküste. Meist ist es ab da im Besitz der grossen Rohstoffkonzerne, die es auf Tanker verladen lassen. Vierzig Prozent des ecuadorianischen Rohöls werden an die Westküste der USA verschifft, wo man es raffiniert. Um sich abzusichern, lassen die Rohstoffkonzerne die Käufe der Raffinerien durch «letters of credit» von den Banken vorfinanzieren.
Die Banken geben auch den Rohstoffkonzernen Milliardenkredite für ihre Einkäufe. So erhielt zum Beispiel der in Genf ansässige Konzern Gunvor im letzten November von einem Bankenkonsortium, zu dem auch UBS und CS gehören, einen Kredit über 1,69 Milliarden US-Dollar. Gunvor ist ebenfalls stark im Ölhandel mit Ecuador aktiv. Adrià Budry Carbó, Rohstoffexperte bei der NGO Public Eye, sagt, dass solche Kredite besonders problematisch seien, weil sie den Rohstoffkonzernen hohe Kapitalsummen ohne jede Auflage zur Nutzung der Gelder verschafften.*
Genf als globales Zentrum
Viele Banken haben zur Finanzierung des Rohstoffhandels spezialisierte Abteilungen in Genf installiert. Auch die im Handel mit dem ecuadorianischen Öl stark exponierten europäischen Banken ING Belgium und BNP Paribas haben die betreffenden Geschäfte über ihre Genfer Filialen abgewickelt. «Die Rohstoffkonzerne operieren nicht zuletzt hier, weil es in der Schweiz an spezifischen Gesetzen und einer Überwachungsbehörde fehlt», sagt Carbó. Das sei für die Beteiligten «von grossem Vorteil». Die Deals können so mehr oder weniger im Geheimen stattfinden.
Eine schärfere Gesetzgebung sei von den entsprechenden Lobbyverbänden bisher verhindert worden, meint Carbó. Public Eye fordert eine umfassende Regulierung des Rohstoffmarkts. Zentraler Pfeiler müsste laut ihr eine Sorgfaltsprüfung sein, die den Handel mit Rohstoffen, die etwa unter Verletzung von Menschenrechten oder unter Missachtung von Umweltnormen erworben wurden, verhindern würde. Bei einer Annahme der Konzernverantwortungsinitiative, die im November zur Abstimmung kommt, wären die grossen Konzerne zu so einer Sorgfaltsprüfung verpflichtet.
Fehlgeschlagene Ausstiegsstrategie
Die Ölgewinnung bringt Ländern des Südens grosse Einnahmen, aber für den Grossteil der Bevölkerung sind diese meist ein Fluch. So ist auch Ecuador mehr denn je von der Ölförderung abhängig, obwohl das Land miserable Erfahrungen damit gemacht hat. Von den 1960ern bis Anfang der 1990er Jahre hat der Ölkonzern Texaco (der später von Chevron übernommen wurde) bei der Ölförderung schwerste Umweltschäden verursacht und trotz Gerichtsurteil bis heute substanzielle Schadenersatzzahlungen verweigert.
Eine Zeit lang war das Land auf dem Weg, sich von seiner Abhängigkeit vom Öl zu lösen. 2007 kündigte der damalige linke Staatspräsident Rafael Correa an, auf die Ölförderung im Yasuni-Nationalpark verzichten zu wollen, wenn westliche Geldgeber bereit wären, das Land für die dadurch entgangenen Einnahmen zu entschädigen. Doch die Verhandlungen mit westlichen Staaten versandeten, und so entschied der Präsident im August 2013, die Idee zu beerdigen. Inzwischen hat sich das Land gegenüber China mit Milliarden verschuldet und sich verpflichtet, in den nächsten Jahren achtzig Prozent seiner Öleinnahmen zur Rückzahlung dieser Schulden aufzuwenden. Dementsprechend lässt Correas Nachfolger Lenín Moreno nun neue Fördergebiete im Amazonas ausschreiben – «am unmöglichsten Ort der Erde», wie die AutorInnen des Reports schreiben.
Recht auf Selbstbestimmung
Vor Ort formiert sich Widerstand. Der Dachverband der Indigenen des Landes forderte vor wenigen Tagen, angesichts der Katastrophe vom April die Ölpipelines des Landes vorerst stillzulegen. Auch sollen alle Bohrtätigkeiten zumindest vorübergehend eingestellt werden. Denn die Indigenen sind stark vom Coronavirus betroffen. Sie befürchten, dass die vielen Beschäftigten auf den Ölfeldern dazu beitragen, das Virus weiter zu verbreiten. Die europäischen Banken sollen zudem ihre Ölhandelsaktivitäten beenden. Marion Vargas, Präsident des Dachverbands, kritisiert gegenüber Reuters: «Den Amazonas zu zerstören, heisst, das Leben selbst zu zerstören.»
Christoph Wiedmer, Kogeschäftsleiter der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV), sagt, dass es unter den Indigenen ein breites Spektrum an Meinungen zum Thema Ölabbau gebe. «Gemeinsamer Konsens ist allerdings, dass die ansässige Bevölkerung, ohne dass Druck auf sie ausgeübt wird, mit allem einverstanden sein muss.» In Ecuador gebe es zudem auch mehrere Hundert Indigene, die jeglichen Kontakt mit der sogenannten Zivilisation grundsätzlich ablehnten. «In diesen Gebieten sind keinerlei wirtschaftliche Aktivitäten gerechtfertigt.»
UBS und Credit Suisse wollen sich zur konkreten Finanzierung des ecuadorianischen Ölgeschäfts nicht äussern. Die UBS schreibt, man wende auch bei der Finanzierung des Rohstoffhandels «eine umfassende Umwelt- und Sozialrichtlinie an, um ökologische und soziale Risiken zu identifizieren und zu beurteilen». So habe man «schon mehrmals Transaktionen abgelehnt, bei denen die Herkunft des Öls nachweislich gegen unsere Standards, wie etwa den Schutz von Landrechten indigener Völker oder von Unesco-Weltkulturerben, verstossen haben». Die Credit Suisse hält fest, dass sie sich «zu einer verantwortungsvollen Unternehmensführung» verpflichte und Kundenaktivitäten «sorgfältig» prüfe. «Nachhaltigkeitsbemühungen» würden «weiter beschleunigt und in der ganzen Bank verankert».
Die GfbV fordert zusammen mit Amazon Watch und Stand Earth sowie weiteren Organisationen, dass die Banken die Finanzierung der Ölförderung und des Ölhandels einstellen, bis eine angemessene Sanierung der verschmutzten Gebiete erfolgt ist. Zudem dürfe kein weiteres Geld fliessen, bis das Recht auf Gesundheit der lokalen Gemeinschaften gewährleistet sei und Massnahmen zur Verhinderung künftiger Ölverschmutzungen getroffen worden seien. Generell erwarten die Organisationen, dass die Banken einen Plan vorlegen, wie sie aus der Finanzierung von Förderung und Handel mit fossilen Energieträgern auszusteigen gedenken.
* Stellungnahme vom 17. August 2020
Die Ölhandelsgesellschaft Gunvor legt wert auf die Feststellung, dass sie mit dem im Text erwähnten Kredit keine physischen Warenströme finanziert und dieser daher in keinerlei Verbindungen zu Handelsaktivitäten steht, die in Ecuador getätigt wurden.