Hauskrach bei den Ärzten ohne Grenzen

Die mit dem diesjährigen Friedensnobelpreis geehrten «Ärzte ohne Grenzen» (Médecins Sans Frontières, MSF) haben den griechischen Zweig ihrer Organisation ausgeschlossen, weil jener nach Ansicht der Pariser Zentrale unter Bruch der Arbeitsgrundlage der Nichtregierungsorganisation im Kosovo-Krieg Ärzte nach Jugoslawien geschickt hatte. Der Ausschluss wurde am 24. September vollzogen und in der letzten Woche von einer Sprecherin der griechischen Organisation bekannt gemacht. Vier ihrer Mitglieder, so der Vorwurf aus Paris, hätten im Rahmen eines staatlichen griechischen Hilfsprogramms in Serbien gearbeitet. Grundlage jedes Einsatzes von MSF sei jedoch die strikte Wahrung der Unabhängigkeit und Neutralität ihrer Teams, die ausschliesslich nach eigenem Gutdünken helfen sollen.
MSF, so Vincent Saber, der Generaldirektor der Schweizer Sektion, hatte sich im Verlauf des Kosovo-Krieges intensiv darum bemüht, nicht nur in den kosovo-albanischen Flüchtlingslagern in Albanien und Mazedonien, sondern auch auf jugoslawischem beziehungsweise serbischem Gebiet arbeiten zu können. Die serbische Regierung war jedoch nicht bereit, die gewünschte Unabhängigkeit der Ärzte zu garantieren. Auch von den griechischen Kollegen sei gefordert worden, sich einem offiziellen Programm Athens unterzuordnen. Unter dem Druck der mehrheitlich gegen den Nato-Krieg eingestellten griechischen Öffentlichkeit war die griechische MSF-Sektion dazu bereit – und verstiess damit gegen die eigenen Regeln.
Zumindest fraglich ist indessen, ob diese Regeln immer so strikt eingehalten werden, wie im Fall des griechischen Einsatzes in Jugoslawien. So war MSF – neben anderen Hilfsorganisationen – beispielsweise mit durchaus nachvollziehbaren Gründen vorgeworfen worden, bei ihrem Einsatz in den ruandischen Flüchtlingslagern im Osten Zaires (1995/96) jede Unabhängigkeit aufgegeben und Hand in Hand mit der französischen Regierung dafür gesorgt zu haben, dass die mörderischen Milizen des in Ruanda gestürzten Hutu-Regimes wieder erstarken konnten. Damals freilich war die in der Organisation dominante französische Sektion selbst ins Gerede gekommen. Die jetzt ausgeschlossenen griechischen ÄrztInnen kündigten an, ihre Arbeit selbständig fortsetzen zu wollen. Gestritten wird dabei noch um den Namen, den die Zentrale gerne zurückhaben möchte.