Immer mehr Zusammenstösse von UCK und KFOR

50 000 hochgerüstete Soldaten schafften es nicht. Doch keine Panik: Jetzt kommen bald 3000 PolizistInnen.

Ein britischer Offizier hat die gegenwärtige Stimmung in der geschundenen Provinz Kosovo prächtig auf den Punkt gebracht. «The honeymoon is over.» Nun hatten BeobachterInnen der Vernunftehe von kosovo-albanischer Befreiungsarmee (UCK) und Nato schon seit geraumer Zeit keine allzu grossen Überlebenschancen mehr eingeräumt.
UCK-FreiwilligeTraurig stimmt das Ganze dennoch, man hätte doch so gerne gesehen, dass sich alle Menschen näher gekommen wären. Stattdessen zog der «Innenminister» der selbst ernannten UCK-Regierung, Rexhip Selimi, in Pristina seine Pistole, als britische Soldaten ihn mit ihren Anweisungen offenbar zu sehr ärgerten, was Michael Jackson, von Beruf General und Oberkommandierender der in den Kosovo entsandten Streitkräfte (Kfor), wiederum in grösste Rage brachte; und in Kosovska-Mitrovica verlangte ein von der UCK angestachelter Mob von den französischen Kfor-Truppen ultimativ, über die Ibarbrücke in den mehrheitlich von SerbInnen bewohnten Nordteil der Stadt gelassen zu werden: Im südlichen Teil gab es kein serbisches Haus mehr, das nicht ausgeräumt oder niedergebrannt oder beides worden war.
So stellt sich, wie schon zu Beginn des Unternehmens «Nato für die Menschenrechte», erneut die Frage, was zu tun ist, damit das sich ausbreitende Chaos eingedämmt werden kann. Dass eine Polizeikraft her muss, war schon zu Beginn jedem klar, der gesehen hat, wie unbeholfen die schwer bewaffneten, ansonsten mit guten Absichten ausgerüsteten Kfor-Soldaten gegen die ausufernde Gesetzlosigkeit kämpfen. Doch welche Polizeikraft? Die UCK hat diesbezüglich ihre eigenen Auffassungen. Die «Polizei-Kommandozentrale», welche die Kfor Anfang der Woche im Osten des Kosovo aushob, war nur ein weiterer Beweis dafür, dass die UCK mit den internationalen Plänen einer multinationalen und vor allem einer neutralen Polizeikraft nun wirklich gar nichts am Hut hat.
Den Plänen nach soll die Uno bald die Ordnungsaufgaben der Kfor übernehmen. Das verspricht zunächst ein noch grösseres Chaos – mit oder ohne unbewaffnete Schweizer PolizistInnen. Der finnische Staatspräsident Martti Ahtisaari, der derzeitige EU-Präsident, hat diesbezüglich wohl eine etwas realistischere Einschätzung als Bundesrat Joseph Deiss, der bei seinem Blitzbesuch in Pristina eine bemerkenswerte Verbesserung der Sicherheitslage konstatierte, eine Feststellung, welche er nur insofern etwas abschwächte, als er sagte, dass eine «absolute Sicherheit» natürlich nicht garantiert werden könne – so formuliert dürfte dies wohl auch auf das heimische Bern zutreffen.
Ahtisaari zum gleichen Problembereich: «Ich befürchte, die Rolle der internationalen Polizeitruppe ist nicht gründlich durchdacht worden. Der Gedanke, dass 3000 Polizisten die zivile Ordnung aufrechterhalten könnten, ist verrückt.»
Auch mit 6000 oder 12 000 Männern und Frauen hätte diese Polizeitruppe aber eine nahezu unmögliche Aufgabe. Und das ist eng mit der Natur der ganzen internationalen Kosovo-Intervention verknüpft. Als die Verhandlungen von Rambouillet von der serbischen Führung und der Nato in grosser Einigkeit zum Scheitern gebracht wurden, tobte im Kosovo seit vielen Monaten ein brutaler Krieg. Schweizerische Katastrophenhelfer haben in manchen Dörfern Häuser wintersicher gemacht, die im Verlauf von nur sechs Monaten schon zum dritten Mal niedergebrannt worden waren, das Schweizer Departement für Entwicklungszusammenarbeit gehört ja zu den wenigen Organisationen, die auch schon vor dem Bombenkrieg der Nato im Kosovo tätig waren. Der Gedanke, in einer dermassen verfahrenen Situation mit militärischen Mitteln nicht nur den serbischen Mördern das Handwerk zu legen (was gelungen ist, wenngleich auch mit einer peinlichen Verspätung, während der das richtige Morden erst begann), sondern auch noch eine funktionierende Zivilgesellschaft mitsamt multiethnischem Zusammenleben (so der deutsche Bundesaussenminister Josef Fischer) zum Leben zu erwecken, das war wohl der wirklich verrückte Gedanke.
PolitikerInnen aller Nationen reden manchmal etwas viel, das gehört offenbar zum Job. Dennoch möchte man sich manchmal wünschen, dass sie sich die Lage etwas besser anschauten, denn jetzt bahnt sich ein neues Debakel an. Hätten Uno-PolizistInnen, wären sie denn einsatzbereit gewesen, das Massaker an vierzehn serbischen Bauern verhindern können, wo schon die britischen Truppen eindeutig überfordert waren? Wohl kaum. Und wie werden Uno-PolizistInnen reagieren, wenn ein wütender Mob gegen sie anrennt, in der festen Überzeugung, dass es nur rechtens ist, über die Ibarbrücke zu ziehen, um im Norden Mitrovicas Vergeltung für die in der Tat unglaublichen Schandtaten serbischer Terrorbanden zu üben? Und wie werden Uno-Polizisten mit jenen kleinen, von niemandem mehr direkt kontrollierten Banden junger Kosovaren fertig werden, die im Schutze der Dunkelheit oder in abgelegenen Scheunen mit den noch im Kosovo verbliebenen SerbInnen tun, was serbische Folterer mit ihren Angehörigen getan haben?
Eine Zivilgesellschaft wird die internationale Gemeinschaft im Kosovo nicht herbeireden können, solange dieses Anliegen nicht auch von der kosovarischen Politik unterstützt wird. Eine wirkliche Alternative zum Versuch, gute Miene zum bösen Spiel zu machen, gibt es in der gegenwärtigen Lage wohl auch nicht mehr: Der Honeymoon zwischen Kfor und UCK ist eindeutig vorbei, und es sieht sehr danach aus, dass der Honeymoon zwischen der neuen Uno-Polizei und der UCK gar nicht erst anfangen wird, es sei denn, die internationale Polizeitruppe lässt sich von Anfang an in eine Komparsenrolle drängen.