JournalistInnen im Visier: Ganz gewöhnliche Ziele

Kriegsberichterstatter werden im Irak-Krieg als Teil des Kriegsgeschehens wahrgenommen. Mit tödlichen Folgen.

Was sind Kriegsberichterstatter – Beobachtende, Täterinnen oder Kriegsteilnehmer? Dass sie auch Opfer sein können, zeigen einmal mehr die jüngsten Vorfälle im Irak. Am 8. April wurden in Bagdad drei Journalisten durch Beschuss der US-Armee getötet. Eine Woche später fehlen immer noch schlüssige Erklärungen für den Beschuss des Hotels Palestine durch einen US-Panzer und für die Bombardierung der Büros des arabischsprachigen Senders al-Dschasira. Besonders widersprüchlich sind die offiziellen Stellungnahmen zum Hotel Palestine, in dem JournalistInnen aus aller Welt untergebracht waren. Die US-Soldaten seien aus der Lobby des Hotels beschossen worden, sagte der US-Brigadegeneral Vincent Brooks nach dem Vorfall. Deswegen hätten sie das Feuer erwidert. Nur: Warum feuerte der Panzer dann auf den 15. Stock? Dort explodierte die Granate mitten in den arbeitenden Medienleuten, tötete zwei und verletzte drei weitere. Als diese Version nach kritischen Nachfragen nicht mehr haltbar war, revidierte das US-Zentralkommando seine Stellungnahme und sprach von «bedeutendem feindlichem Feuer» aus dem Hotel.

Selbstverteidigung?

Die Pentagon-Sprecherin Victoria Clarke doppelte in Washington nach. US-Soldaten seien vom Hotel aus angegriffen worden und hätten reagieren müssen, sagte sie. Die Soldaten hätten «richtig und verantwortungsvoll gehandelt». Es sei Selbstverteidigung gewesen. Später hiess es dann aus Kreisen des US-Militärs, man habe «feindliche Ferngläser» im Hotel gesehen.

Die Version vom irakischen Beschuss ist eine Lüge – wenn man den im Hotel untergebrachten JournalistInnen glaubt. Sie bestreiten, dass daraus geschossen wurde. «Ich fuhr auf einer Strasse zwischen den Panzern und dem Hotel, als die Granate abgefeuert wurde – und hörte keine Schüsse», schreibt etwa Robert Fisk, Korrespondent der britischen Tageszeitung «The Independent». Gestützt werden die Aussagen der JournalistInnen von einer Aufnahme des französischen Fernsehsenders France 3. Diese zeigt, wie ein US-Panzer auf der Brücke seinen Turm auf das Hotel zu dreht, langsam seine Kanone aufrichtet und zwei Minuten wartet. Dann erst folgt das Mündungsfeuer. Andere Schüsse sind nicht zu hören. Die zweite Version – dass die US-Soldaten Kameras mit «feindlichen Ferngläsern» verwechselten – tönt ebenfalls unglaubwürdig, war doch allgemein bekannt, dass in dem Hotel Medienleute arbeiteten. Auch beim Büro von al-Dschasira war eine Verwechslung kaum möglich, hatte doch der Sender den US-Streitkräften die genauen Koordinaten seiner Büros angegeben und grosse Fahnen mit der Aufschrift «TV» aufgehängt.

In Spanien kursiert noch eine andere Version des Geschehens. Ein Sprecher des spanischen Verteidigungsministeriums sagte letzte Woche, die Streitkräfte der USA und Britanniens hätten das Hotel Palestine 48 Stunden vor dem Beschuss zu einem potenziellen militärischen Ziel erklärt. Begründung: Im Hotel hätten sich irakische Führungspersonen versammelt. Die Streitkräfte hätten dies den Journalisten im Hotel mitgeteilt, so der Sprecher. Die dort untergebrachten spanischen Reporter wiesen dies zurück: Eine Warnung hätten sie nicht erhalten. Einer der Getöteten hatte für den spanischen Fernsehsender Telecinco gearbeitet.

Der Vorfall hat zu scharfen Protesten geführt. «Reporter ohne Grenzen» forderte von Rumsfeld Beweise dafür, dass die Büros von al-Dschasira und das Hotel Palestine nicht absichtlich ins Visier genommen wurden. Ausserdem verlangte die Organisation von der internationalen humanitären Ermittlungskommission, die über die Einhaltung des humanitären Völkerrechts wacht, dass der Überfall untersucht wird. «Angriffe auf Zivilisten, dazu zählen auch Journalisten, und auf ziviles Eigentum sind Kriegsverbrechen und ernsthafte Verletzungen der Genfer Konventionen», sagte der Generalsekretär von «Reporter ohne Grenzen». Zu Wort meldete sich auch Christoph Maria Fröder, ein deutscher Kriegsreporter, der schon 1991 aus Bagdad berichtet hatte. 1991 habe er mit dem Pentagon Kontakt gehabt und die Versicherung erhalten, dass er nicht angegriffen werde, sagte er im Gespräch mit einem Korrespondenten von «Reporter ohne Grenzen». Dieses Mal aber hätten ihm seine Kontaktleute beim US-Militär gesagt, er erhalte keine Spezialbehandlung. Da die USA Journalisten in ihre Kampftruppen «eingebettet» hätten, riskierten die ausserhalb der US-Truppen arbeitenden Journalisten, als feindliche Kämpfer oder gewöhnliche Ziele behandelt zu werden, wurde ihm mitgeteilt.

CNN schiesst scharf

Wie sehr Kriegsberichterstatter mittlerweile – zum Teil auch aus eigenem Zutun – als Teil des unmittelbaren Kriegsgeschehens wahrgenommen werden, zeigt ein Vorfall vom Sonntag. Das Fahrzeug eines Reporter-Teams des US-Fernsehsenders CNN geriet an einem Kontrollposten in Tikrit unter Beschuss. Ein Leibwächter, der mit CNN unterwegs war, erwiderte die Schüsse. «Reporter ohne Grenzen» kritisierte die Schiesserei daraufhin als «gefährlichen Präzedenzfall». Es bestehe das Risiko, dass Kämpfer nun davon ausgingen, dass alle Kriegsreporter im Irak, aber auch anderswo, bewaffnet seien. Durch die mögliche Verwechslung mit Kämpfern würden die Journalisten allgemein gefährdet. Eine CNN-Sprecherin wies die Kritik zurück. Es handle sich nicht um einen Präzedenzfall, sagte sie, denn bereits in Somalia und Afghanistan seien Journalisten von Bewaffneten begleitet worden.

Reporter ohne Grenzen: www.rsf.org