Die US-Regierung schiesst sich den Weg zum Krieg frei: Die Medien als erstes Ziel
Rechtzeitig vor Beginn eines Krieges gegen den Irak will die Bush-Regierung die ausländischen Medien aus der Hauptstadt Bagdad vertreiben. Erreicht werden soll dieses Ziel mit einer militärischen Drohung gegen die Unterkünfte, in denen die Kameracrews, Radio- und PrintjournalistInnen aus zahlreichen Ländern derzeit untergebracht sind. Nach Informationen der WoZ hat das Pentagon die drei US-amerikanischen Fernsehsender ABC, CBS, NBC, die Kabelanstalten CNN und Fox sowie die derzeit in Bagdad mit Korrespondenten vertretenen grossen US-Zeitungen («New York Times», «Washington Post», «Los Angeles Times», «Wall Street Journal» und andere) darüber informiert, dass das Al-Raschid-Hotel sowie mindestens drei weitere Hotels, in denen ausländische JournalistInnen mit Genehmigung des irakischen Informationsministeriums untergebracht wurden, auf der Zielliste für die erste Welle der Luftangriffe stehen, mit der ein Irak-Krieg nach den Planungen des Pentagons beginnen soll.
Das Pentagon sicherte den US-Medien zu, sie würden 72 Stunden vor Kriegsbeginn informiert. Eine ähnliche informelle Zusicherung erhielt die New Yorker Uno-Zentrale von der Bush-Regierung. Die Uno will vor Kriegsbeginn ihre Waffeninspekteure sowie die noch im Irak verbliebenen MitarbeiterInnen humanitärer Organisationen (Unicef, Weltgesundheitsorganisation, Welternährungprogramm und andere) abziehen. Die 72-Stunden-Frist bis zum Kriegsbeginn könnte nach Angaben US-amerikanischer Diplomaten bereits unmittelbar nach der Abstimmung im Uno-Sicherheitsrat über den Entwurf für eine Kriegsermächtigungs-Resolution beginnen. Die Regierung in Washington hat angekündigt, sie wolle diese Abstimmung noch bis Ende dieser Woche herbeiführen. Wird an diesem Freitag abgestimmt, könnten die ersten Luftangriffe auf die irakische Hauptstadt bereits am Montag oder Dienstag nächster Woche beginnen.
Gegenüber den US-amerikanischen Medien begründete das Pentagon die geplanten Bombardements der Unterkünfte ausländischer JournalistInnen in Bagdad damit, dass sich in den vom Informationsministerium kontrollierten Hotels Kommunikationsanlagen der irakischen Regierung und der Streitkräfte befänden, die gleich zu Beginn eines Krieges ausgeschaltet werden müssten. Die Drohung des Pentagons gegenüber den US-amerikanischen TV-Networks ist inzwischen auch Fernsehanstalten aus Europa und anderen Weltregionen bekannt geworden, deren KorrespondentInnen und Kameracrews in Bagdad in diesen Hotels untergebracht sind.
Bis zur Drohung des Pentagons waren die meisten derzeit in Bagdad vertretenen ausländischen Medien entschlossen gewesen, auch nach Kriegsbeginn in der irakischen Hauptstadt zu bleiben, um der Weltöffentlichkeit über diesen Krieg zu berichten. Doch inzwischen gilt diese Absicht nur noch für den Fall, dass es gelingt, alternative Unterkünfte zu finden in Hotels, die nicht vom Informationsministerium kontrolliert werden und die nicht auf der Zielliste des Pentagons stehen. Die Aussichten hierfür sind nicht sehr gross. Daher ist nicht auszuschliesen, dass der kommende Golfkrieg noch stärker unter Ausschluss der Weltöffentlichkeit geführt wird als der letzte im Frühjahr 1991. Damals war es zu einer in der Geschichte der Kriegsberichterstattung beispiellosen Selbstzensur gekommen.
Bereits Wochen vor Kriegsbeginn am 16. Januar 1991 hatten sich rund 95 Prozent der US-Medien (darunter bis auf den damals gerade neu gegründeten Kabelsender CNN sämtliche Fernsehanstalten, alle grossen Zeitungen und bis auf das unabhängige Rundfunknetzwerk «Pacifica» auch fast alle Radiostationen) auf Knebel-Vereinbarungen mit dem Pentagon eingelassen. Darin verzichteten sie auf die Entsendung eigener KorrespondentInnen in das Kriegsgebiet (den Irak sowie das damals von irakischen Truppen besetzte Kuweit) und sagten den Abzug bereits entsandter Korrespondenten bis zum 16. Januar zu. Im Gegenzug bot das Pentagon den Medien zusätzlich zu den täglichen Pressekonferenzen in seiner Washingtoner Zentrale regelmässige Briefings im damaligen Kriegshauptquartier der US-Streitkräfte in der saudi-arabischen Hauptstadt Riad an. Dort wurden die Fernsehmedien vom Pentagon auch mit den Videos versorgt, die der Welt damals wochenlang den «sauberen Krieg» mit «chirurgischen Schlägen» so genannter «intelligenter Präzisionswaffen» ohne «Kollateralschäden» unter der Zivilbevölkerung vorgaukelte.
Fast sämtliche Medien aus Europa und anderen Weltregionen schlossen sich seinerzeit der Selbstzensur der US-Medien an. Nur eine Hand voll Journalisten (darunter der Nahost-Korrespondent der britischen Tageszeitung «Independent», Robert Fisk) begaben sich auf eigene Faust und unter hohem Risiko in das Kriegsgebiet und lieferten die wenigen unabhängigen, nicht vom Pentagon kontrollierten Berichte über den zweiten Golfkrieg. Aber immerhin befanden sich zu Beginn des Krieges Mitte Januar 1991 im Bagdader Al-Raschid-Hotel noch Peter Arnett und weitere CNN-Korrespondenten. Das Hotel stand damals nicht auf der Zielliste des Pentagons. Die CNN-Korrespondenten konnten der Weltöffentlichkeit wenigstens die Bilder vom Krieg übermitteln, die sie vom Dach des Hotels mit ihrer eigenen Kamera aufzeichnen liessen. Selbst solche Bilder werden wir vom dritten Golfkrieg nicht zu sehen bekommen, wenn das Kalkül des Pentagons aufgeht, dass sämtliche ausländische Journalisten Bagdad aus Angst vor Luftangriffen auf ihre Unterkünfte rechtzeitig vor Kriegsbeginn verlassen.