Gestern in LMd, heute in den Nachrichten

Le Monde diplomatique –

Die Welt schaut auf Taiwan

Der Besuch von Nancy Pelosi in Taiwan hat nicht nur die Befürchtung verstärkt, dass Peking auf militärische Eskalation setzen könnte. Weitaus konkreter ist die Angst vor den weltwirtschaftlichen Verwerfungen, die eine Zuspitzung des Konflikts um Taiwan auslösen würde. Chinesische Handelssanktionen – oder gar eine Blockade des Inselstaats – hätte dramatische Folgen. Zwei Drittel der weltweit verbauten Mikrochips stammen aus Taiwan; der Halbleiterproduzent TSMC gilt unter Experten als „das unersetzlichste Unternehmen der Welt“. Pelosi legte in Taipeh deshalb Wert darauf, sich mit TSMC-Chef Mark Liu zu treffen; nach taiwanischen Presseberichten ging es dabei auch um weitere Investitionen des Chipgiganten in die USA.

Die Geschichte des Konzerns und dessen Bedeutung für die globale IT-Industrie hat Evgeny Morozov in der LMd-Augustausgabe 2021 unter dem Titel „Machtspiele mit Mikrochips“ dargestellt. Über den Kurswechsel in der Taiwan-Politik der USA, der bereits unter Trump eingeleitet wurde, und über die taiwanische Lobby in Washington berichtete Alice Hérait in ihrem Text „Hinter den Kulissen von Taipeh“, der in LMd vom Oktober 2021 nachzulesen ist. Dieselbe Autorin schildert im Juni 2019 unter dem Titel „Kommt doch rüber“, mit welchen Mitteln die Regierung in Peking versucht, die „taiwanischen Landsleute“ für eine „friedliche Wiedervereinigung“ nach der Formel „ein Land, zwei Systeme“ zu gewinnen.

Al-Qaida in Kabul

Am 1. August verkündete US-Präsident Joe Biden die Tötung des Al-Qaida-Führers Aiman al-Sawahiri. Der Nachfolger von Osama Bin Laden, der eine zentrale Rolle bei den Anschlägen vom 11. September 2001 gespielt hatte, starb bei einem CIA-Drohnenangriff mit zwei Hellfire-Raketen in der afghanischen Hauptstadt Kabul. Dass sich das Al-Qaida-Oberhaupt im ehemaligen Botschaftsviertel von Kabul aufhielt, wo heute viele hohe Taliban-Kader leben, befeuerte die Befürchtungen, Afghanistan könnte erneut zum Rückzugsort für Terroristen werden. In seinem Beitrag „Die zwei Gesichter des Dschihad“ in der LMd-Oktoberausgabe 2021 beschrieb Olivier Roy das Spannungsfeld zwischen al-Qaida, dem IS und den Taliban und argumentierte, dass der westliche Blickwinkel auf islamistische Bewegungen, der diese allein auf Basis ihrer Nähe zum Terrorismus bewertet, viel zu kurz greift.