Mazedonien: Bloss kein zweites Pristina

Bewegung um eine Albanische Universität. Die Gefahr, dass Mazedonien in die jugoslawischen Auflösungskriege hineingezogen wird, ist ein bisschen kleiner geworden.

Seit Jahren vergiftet der Streit um eine albanischsprachige Universität das ohnehin schwierige Verhältnis zwischen der mazedonischen Mehrheit und der albanischen Minderheit, zu der sich etwa ein Viertel der knapp zwei Millionen EinwohnerInnen zählen. Vor sechs Jahren gründete eine Gruppe albanischer Intellektueller um Fadil Sulejmani auf eigene Faust eine inoffizielle Universität in Tetovo. Als die Behörden die Institution polizeilich schliessen wollten, kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen, und Rektor Sulejmani wurde vorübergehend ins Gefängnis gesteckt. Dennoch arbeitete die Universität weiter, finanziert durch eine «freiwillige Steuer», die im albanischsprachigen Einzugsgebiet erhoben wird. Die Legalisierung der Hochschule ist seither ein prestigeträchtiger Zankapfel. Sturheit auf der einen und wachsender Extremismus auf der andern Seite haben eine Lösung lange verunmöglicht. Darunter hat die gesamte Hochschulbildung des Landes gelitten, denn der Streit blockiert das jahrelang anstehende Hochschulgesetz.
Nun scheint Bewegung in die verkorkste Angelegenheit zu kommen. Nach vielen Anläufen hat der OSZE-Hochkommissar für nationale Minderheiten, Max van der Stoel, eine Kompromissformel gefunden, der die Spitzen der regierenden mazedonisch-albanischen Parteienkoalition zustimmen. Es soll eine neue Universität in Tetovo gegründet werden, privat geführt und mehrsprachig, aber voll in das staatliche Erziehungssystem integriert und für vier Jahre von Mitgliedern des Europarates finanziert. Damit entfällt das Hauptargument der mazedonischen Parteien: Geldmangel. Auch die Gefahr einer panalbanischen Parallelstruktur scheint durch die europäische Ausrichtung und die Mehrsprachigkeit der Schule gebannt. Der Unterricht wird in Albanisch, Englisch und Mazedonisch erteilt, die Lehrgänge sind vorerst auf Management, öffentliche Verwaltung und Lehrerbildung beschränkt. So will man die Produktion von arbeitslosen AlbanologInnen verhindern – eine Lektion, die man von der Universität in Pristina gelernt hat.
Aber die Sache ist noch nicht ausgestanden. Scharfe Opposition kommt aus der jetzigen «illegalen» Universität. Sulejmani besteht darauf, dass seine Universität legalisiert und vom Staat finanziert wird. Er wird darin von der albanischen Oppositionspartei unterstützt. Sie hält an der Maximalforderung fest, obwohl sie als Regierungspartei bis 1998 in dieser Frage keinen Schritt weitergekommen ist. Sulejmanis Opposition ist verständlich: Er fürchtet um sein Lebenswerk, ist doch kaum daran zu zweifeln, dass albanische MittelschulabgängerInnen eine Universität mit anerkannten Zertifikaten seinem Lehrbetrieb vorziehen werden. Dass er ins Abseits gerät, hat Sulejmani nicht zuletzt seiner Sturheit zuzuschreiben, die dazu führte, dass der Unterhändler van der Stoel den Kontakt zu ihm abbrach. «Es ist das Ziel, dass möglichst viele Studierende der illegalen Uni nach einer Prüfung zu anerkannten Abschlüssen kommen», sagt Harald Schenker von der OSZE-Mission in Skopje. «Schwieriger wird es sein, genügend gute Hochschullehrer zu finden – es fehlt der akademische Nachwuchs.»
Politisch gemässigte AlbanerInnen begrüssen die jetzige pragmatische Lösung. «Die Hauptsache ist, dass damit der Anspruch auf Hochschulausbildung in albanischer Sprache anerkannt wird», sagt der Politikwissenschaftler Agon Demjaha. Es ist absehbar, dass das Projekt die Differenzen innerhalb der albanischen Gemeinschaft verschärfen wird. Und die oppositionelle mazedonische Partei wird zweifellos dagegen Sturm laufen. Aber so besteht umgekehrt die Chance für die Bildung einer interethnischen «Koalition der Vernunft». Und die kann das Land gebrauchen.