Film: Die Schatten von damals

Nr. 2 –

Filmstill aus dem Film «Before, Now & Then»: Ein Soldat unterhält sich mit einer Frau


«Before, Now & Then». Regie: Kamila Andini. Indonesien 2022. Jetzt im Kino.

Ein Algorithmus würde nach dem indonesischen Film «Before, Now & Then» von Kamila Andini sehr wahrscheinlich Wong Kar-Wais «In the Mood for Love» empfehlen. Wie oft bei solchen Vorschlägen sollte man das nicht unbedingt als Aufforderung verstehen, beide Filme gleich hintereinander zu schauen. Der direkte Vergleich könnte vom speziellen Zauber, den Andinis Film entfaltet, nur ablenken. Zugleich gilt: Wer für die sehnsüchtige Atmosphäre von «In the Mood for Love» empfänglich war, wird auch hier kaum unberührt bleiben.

Ähnlich wie bei Wong Kar-Wai ist es nicht die Handlung, die den Film ausmacht, sondern seine Ästhetik der Melancholie: der wehmütige Blick auf Kleider und Stoffe, die schweigend-ausdrucksvollen Gesichter wie hinter Gaze, das stimmungsvolle Rauchen einer Zigarette im Dunkeln. Die eigentliche Geschichte ereignet sich gleichsam im Hintergrund. In der Auftaktszene ist Nana (Happy Salma) in den Wirren nach dem Zweiten Weltkrieg auf der Flucht. Ihr Vater wurde umgebracht, ihr Mann ist verschollen. In einem Moment des Innehaltens sieht sie seine schemenhafte Gestalt im Dschungel. Ängstlich fragt sie sich, ob sie sein Antlitz schon vergessen habe.

Fünfzehn Jahre danach, 1976, sieht man sie als Frau eines reichen älteren Mannes in einem komfortablen Leben angekommen. Während im Radio von General Suhartos Machtübernahme die Rede ist, wird die Mutter von vier Kindern von Träumen heimgesucht. Die Verluste der Vergangenheit lassen sie nicht zur Ruhe kommen. Von ihrer gesellschaftlichen Umgebung wird sie kühl und von oben herab behandelt. Ausgerechnet in der neuen Geliebten ihres Mannes findet sie eine Verbündete. Ihr gegenüber kann sie aussprechen, was sie lange verschwiegen hat, und wie zwangsläufig bricht sich eine alte Sehnsucht Bahn.

Kamila Andini nutzt die von Gewalt geprägte Historie Indonesiens als Folie für eine Geschichte der Gefühle – durchsetzt von Traumlogik, tauchen die Themen Kolonialismus, Autokratie und Befreiung wie in einem Zerrspiegel auf und werfen ihre Schatten.