Elternzeit in Bern und Genf: Eine Frage des Modells

Nr. 21 –

Bei der Elternzeit ist die Schweiz im europäischen Vergleich weiterhin Entwicklungsland. Dass sich das wohl nicht so bald ändern wird, zeigte sich etwa Anfang letzten Jahres: Damals lehnten im Kanton Zürich gleich 65 Prozent der Stimmbürger:innen einen Ausbau auf je 18 Wochen pro Elternteil ab. Es war ein heftiges Zeichen gegen eine progressive Familienbetreuung. Dennoch kommen nun etwas mehr als ein Jahr später, am 18. Juni, gleich in zwei weiteren Kantonen Initiativen unter dem Schlagwort «Elternzeit» an die Urne.

Im Kanton Bern sollen den bestehenden Urlaubstagen (14 Wochen Mutterschafts- sowie 2 Wochen Vaterschaftsurlaub) weitere 24 Wochen hinzugefügt werden. Regierung und Kantonsparlament lehnen die Initiative ab, die Linksparteien machen sich dafür stark. In Genf sollen zum Status quo (16 Wochen Mutterschafts- sowie 2 Wochen Vaterschaftsurlaub) 8 Wochen dazukommen. Die Initiative stösst dort aber in linken Kreisen auf Widerstand und wird von Parlament und Regierung gutgeheissen. Die umgekehrten Fronten zeigen auf, welche Diskrepanzen sich im selben Begriff verstecken.

Denn während die Berner Initiative die Urlaubstage für beide Elternteile enorm ausbaut und eine paritätische Aufteilung von je 20 Wochen zulässt, versteckt sich im Genfer Modell in mehrfacher Hinsicht ein Rückschritt. Würde es umgesetzt, wäre es künftig gar möglich, den bestehenden Mutterschaftsurlaub zugunsten des anderen Elternteils um 2 Wochen zu kürzen. Auch eine Parität ist nicht möglich. Und die Genfer:innen stimmen eigentlich gar nicht über eine Elternzeit, sondern nur über die Finanzierung einer solchen Massnahme ab. Ob die zusätzlich bezahlten Wochen dann auch tatsächlich bezogen werden könnten, würde also im Ermessen der Unternehmen liegen. Nicht überraschend stammt die Initiative aus grünliberaler Hand und wird von den Linken als «Mogelpackung» kritisiert.

Trotz der grossen Unterschiede zwischen den Vorstössen besitzen die kantonalen Debatten einen gemeinsamen Nenner: den Wunsch nach einer nationalen Umsetzung. Sie zeigen jedoch auch, dass diese nicht nur an den Stimmbürger:innen scheitern kann – sondern bereits an der Frage des Modells.

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