Dominikanische Republik: Im Schatten der Grenze
Hunderttausende Haitianer:innen leben in der Dominikanischen Republik ohne gültige Papiere. Unter Präsident Luis Abinader werden sie in Massen deportiert. Betroffene erzählen von ständiger Angst und systematischer Ausgrenzung. Was sie erleben, ist Ausdruck einer Diskriminierung mit historischen Wurzeln.
Ein ruppiger Wind fegt an diesem Abend über die Uferpromenade von Puerto Plata. Der Himmel ist dunkelgrau, die schwülheisse Luft kühlt langsam ab. Auf einer Bank im Parque La Puntilla sitzt Lizbeth Domínguez. «Wir können nicht lange hierbleiben», sagt sie und schaut sich um, «man weiss nie, wann sie kommen.» Mit «sie» meint Domínguez die Camionetas, die vergitterten Lastwagen der dominikanischen Migrationsbehörde Dirección General de Migración (DGM). Täglich durchkämmen sie die karibische Küstenstadt im Norden der Dominikanischen Republik. Sie halten vor Baustellen, Supermärkten, Haustüren. Wer von den Sicherheitskräften, oft allein wegen der Hautfarbe, für eine:n Haitianer:in gehalten wird, wird festgenommen und nach Haiti deportiert.
Die Dominikanische Republik deportiert seit Jahrzehnten Haitianer:innen (siehe WOZ Nr. 8/14). Doch unter Präsident Luis Abinader, der 2020 ins Amt kam, erreichten die Abschiebungen ein neues Ausmass. Nach seiner Wiederwahl 2024 kündigte er an, wöchentlich bis zu 10 000 Haitianer:innen deportieren zu wollen. Die dominikanische Regierung bezeichnet Haiti als «gescheiterten Nachbarstaat», dessen Last nicht länger tragbar sei. Insgesamt 300 000 Haitianer:innen wurden laut der DGM zwischen Oktober 2024 und Juli 2025 abgeschoben.