Projers NZZ-Abgang: Was steckt dahinter?
Jonas Projer ist nicht länger Chefredaktor der «NZZ am Sonntag». «Strategische Differenzen» hätten vorgelegen und zu einer Trennung in «gegenseitigem Einvernehmen» geführt. Projer, so viel lässt einen das NZZ-Management wissen, bedaure den Abschied – was dann nicht ganz so einvernehmlich klingt.
Publizistisch tut sich mit Projers Abgang keine Lücke auf. Seine Kommentare werden niemandem fehlen. Sein Standpunkt lag in der Regel streng auf Parteilinie der FDP. Gerne auch explizit, etwa als er das Klimaschutzgesetz als «missraten» qualifizierte, sich aber trotzdem dafür aussprach, weil es laut FDP einen klassisch schweizerischen Kompromiss darstelle. Wer sich als Journalist so sehr an die ideologische Mutterpartei anlehnen muss, um einen Stand zu haben, fällt dann auch schnell um.
Intern äusserst unbeliebt und gegen aussen irritierend war Projers Masche, die Recherchen des eigenen Blatts zu konterkarieren und so kleine Provokationen zu platzieren. Zuletzt erschien in der «NZZ am Sonntag» eine interessante Recherche, wie Verkehrsminister und Autofreund Albert Rösti Autobahnprojekte mit allerlei listigen Manövern begünstigt. Projer hätte Rösti zur sauberen Geschäftsführung anhalten können. Doch er titelte: «Albert Rösti hat recht. Ohne breitere Strassen geht es nicht.»
Es waren denn auch die Journalist:innen der Zeitung, die seinen Abgang auslösten. Sie schrieben nach Informationen der WOZ vor einigen Tagen einen Brief an die Konzernleitung, in dem sie auf eine Trennung drängten. Kurz davor hatte das Portal «Inside Paradeplatz» von einer «Palast-Revolte gegen Jonas Projer» geschrieben, von einer namhaften Redaktorin, die kündigte, kaum hatte sie angefangen – und von wichtigen Texten, die Projer torpediert haben soll.
Und doch scheiterte Jonas Projer, der frühere «Arena»-Moderator und Chef von Blick TV, nicht nur an der eigenen Redaktion. Er scheiterte auch am ungeklärtem Verhältnis zur Wochentags-NZZ, die der Sonntagsausgabe sowohl publizistisch als auch produktionstechnisch enteilt ist. Vor allem aber scheiterte er am erfolglosen Kulturwandel hin zu einer digitalen Publizistik. Das mit viel Tamtam geschaffene «NZZ Magazin», in dem die Texte aus der gedruckten Ausgabe aufgehübscht werden, findet hinter der Bezahlschranke kaum Leser:innen.
Kürzlich schaute der CEO der NZZ-Mediengruppe, Felix Graf, auf der Redaktion vorbei. Und kündigte gemäss Informationen der WOZ an, dass die Frühzustellung der «NZZ am Sonntag» noch zwei Jahre gesichert sei. Was danach kommt, blieb offen. Doch intern interpretiert man die Aussage so: Zwei Jahre bleiben, um ein digitales Geschäftsmodell zu entwickeln. Eine Aufgabe, die mit dem Abgang von Jonas Projer nicht leichter geworden ist.