Thailands Oligarchie: Erzfeind:innen unter sich
Die Mehrheit der Thais und die Jugend des Landes haben die konservativen Eliten und die extreme Ungleichheit im Land satt. Im Mai bescherten sie der progressiven Move Forward Party die meisten Sitze im Parlament – und den Oppositionsparteien insgesamt einen klaren Wahlsieg.
Move Forward schmiedete danach eine Koalition aus acht Parteien, darunter auch die zweitstärkste Kraft, Pheu Thai. An den realen Machtverhältnissen im Land änderte das alles nicht wirklich was.
Denn nach dem Putsch im Mai 2014 hatten die Militärs an der Verfassung geschraubt und sicherten dadurch ihre Macht ab. Seither ernennen sie 250 Senator:innen, die zusammen mit den gewählten 500 Parlamentsabgeordneten jeweils den Regierungschef bestimmen. Nach den Wahlen im Mai verfügte die Koalition von Move Forward über 312 der 500 Sitze, was in einer Demokratie locker für eine Regierungsbildung reichen würde, doch: Thailand ist keine Demokratie. So scheiterte eine Regierungsbildung erwartungsgemäss an der Sperrminorität im Senat.
Inzwischen hat sich Pheu Thai mit dem Königshaus und den Militärs auf eine Regierungsbildung geeinigt und fällt damit Move Forward in den Rücken. Wohl auch, weil Move Forward unter anderem die wirtschaftlichen Monopole zerschlagen wollte und damit die Pfründen der Oligarch:innen angegriffen hat. Bestimmende Kraft bei Pheu Thai ist die Milliardärsfamilie Shinawatra. Teil des aktuellen Deals zwischen Königshaus und Militär einerseits und Pheu Thai andererseits ist offenbar, dass der Familienpatriarch Thaksin Shinawatra nach siebzehn Jahren im Exil nach Thailand zurückkehren darf und vom König begnadigt werden soll. Morgen nun ist die Wahl des Pheu-Thai-Kandidaten Srettha Thavisin zum neuen Regierungschef geplant.
Die jüngste Entwicklung entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Pheu Thai beziehungsweise die Familie Shinawatra und die konservativen Eliten des Landes sind sich eigentlich seit Jahrzehnten spinnefeind. Sie bekämpften sich als Rot- beziehungsweise Gelbhemdenbewegung auf offener Strasse. Manche Rothemden aus den armen, agrarisch geprägten Landesteilen fühlen sich nun von ihrer Partei Pheu Thai verraten und verbrennen ihre Rothemden. Überhaupt scheint die Lage für die Partei, das Königshaus, die Militärs und die Oligarch:innen ungemütlich. Dass sie nun den Wahlausgang zu ihren Gunsten manipulieren und den Wähler:innenwillen ignorieren, wird die Wut weiter anfachen.
Thailand ist zwar die zweitstärkste Wirtschaft Südostasiens und ein exportorientiertes Schwellenland. Allerdings ist es auch eines der Länder Südostasiens, in denen der Wohlstand extrem ungleich verteilt ist. Ein Prozent der Thais besitzen 67 Prozent des Vermögens, die obersten 10 Prozent 86,7 Prozent. 10 Prozent haben gar kein Vermögen und selbst der Anteil der unteren 50 Prozent am Wohlstand beträgt bloss 1,7 Prozent. Rund die Hälfte der Thais arbeiten im informellen Sektor, sind sozial nicht abgesichert und entsprechend vulnerabel. Die strikte Coronapolitik hat diese Menschen besonders hart getroffen. Zudem ist die private Verschuldung ohnehin extrem hoch, das Bildungssystem veraltet, die Meinungsfreiheit von der Militärjunta abgeschafft.
Klingt nach Pulverfass, nicht nach Tropenparadies. Fragt sich bloss, wann es in die Luft geht.