Ein Trader als Vorsitzender der linken Syriza: τι διάολο?!

Stefanos Kasselakis war Rohstoffhändler bei Goldman Sachs, dann wurde er Geschäftsführer einer Reederei, erst vor kurzem kehrte er aus den USA nach Griechenland zurück. Diesen Montag nun kürten ihn rund 150000 Parteimitglieder zum Vorsitzenden der Linkspartei Syriza. Wie konnte sowas passieren?

Die griechische Linkspartei sucht gerade verzweifelt nach einem Ausweg aus der Krise. Bei den letzten Parlamentswahlen im Juni erhielt Syriza bloss noch 17,8 Prozent der Stimmen, während die konservative Nea Dimokratia (ND) die absolute Mehrheit im Parlament errang. Der ehemalige Premierminister, Alexis Tsipras, trat daraufhin als Vorsitzender der Partei zurück. 

Der neue Vorsitzende Kasselakis will das einstige «Bündnis der radikalen Linken» retten, indem er es beerdigt. Natürlich nicht offiziell – aber der politische Newcomer ist mit dem Versprechen angetreten, Syriza einzumitten. Sein Vorbild sind die US-Demokrat:innen. Dem linken Parteiflügel attestiert er, «anachronistische» Positionen zu vertreten und keinen Bezug zur gesellschaftlichen Realität zu haben. 

Bemerkenswert ist, dass es Kasselakis im Wahlkampf gelang, seine Karriere als politischen Vorteil zu verkaufen. Es sei ihm bewusst, dass er keinerlei Parteierfahrung habe, sagte er zu Beginn seiner Kampagne in einer Videobotschaft. Dafür habe er einen guten Abschluss, Businesserfahrung, und er spreche auch gut Englisch. 

Seine politischen Visionen sind ebenso dünn. Unter anderem fordert Kasselakis, der von sich sagt, er sei «kein Phänomen», Steuererleichterungen für Angestellte, aber auch erleichterten Zugang zur Staatsbürger:innenschaft für Minderjährige sowie die gleichgeschlechtliche Ehe. Nach seiner Wahl beschrieb er seine Personalie so: «Heute hat das Licht gewonnen.» 

Syriza durchläuft eine für linke Protestparteien typische, ungemein ermüdende Entwicklung: Konfrontiert mit einem Bedeutungsverlust, stand die Partei nach Tsipras’ Abtritt vor der Wahl, ihren vergleichsweise provokativen Positionen treu zu bleiben – auf die Gefahr hin, weiter an Einfluss einzubüssen. Oder rechts abzubiegen. Möglich scheint derzeit aber auch der Mittelweg, ein weiterer linker Volkssport: die Spaltung.