Die Logik unserer spätkapitalistischen Gesellschaft: Wer etwas gerne tut, muss nicht dafür bezahlt werden. Kinder grossziehen, zum Beispiel. Oder die eigenen Angehörigen pflegen. Oder, ganz wichtig: Kunst! Egal ob Theater, Musik oder Literatur — Kulturschaffende sind schliesslich leidenschaftliche Menschen, die ihr Hobby zum Beruf machen und damit ihren Traum verwirklichen können. Dafür auch noch Geld zu verlangen, scheint einigen ein bisschen vermessen.
Wobei das Einfrieren kultureller Veranstaltungen während der Coronapandemie die Prekarität des Kultursektors dermassen drastisch verdeutlichte, dass daraus ein Politikum wurde. Dies bedeutete Rückenwind für den Leistungsauftrag, den «t. Theaterschaffen Schweiz», der Branchenverband des professionellen freien Theaters, schon vor der Pandemie vom Bundesamt für Kultur erhalten hatte: die bisherigen deutschsprachigen Empfehlungen zu überarbeiten sowie ein nationales Tool für Richtlöhne in der freien Szene zu schaffen. Eine Herausforderung, wie Chantal Hirschi, Geschäftsleiterin des Verbands, bei der Lancierung des Tools gestern berichtete: «Wir haben viel Zeit investiert, um mit der Arbeitsgruppe, die alle Sprachregionen sowie unterschiedliche Arbeitsweisen und Perspektiven der freien Szene repräsentiert, ein national anwendbares System zu schaffen.»
Das Tool stösst auf viel Zustimmung vonseiten der Theaterschaffenden, schürt aber auch Ängste: So liege beispielsweise der Richtlohn einer Schauspielerin mit zehn Jahren Berufserfahrung und mittlerer Projektverantwortung bei knapp 6000 Franken pro Monat. Das ist nicht ausserordentlich viel, Hochschulabgänger:innen in anderen Branchen sind oft in stetigeren Arbeitsverhältnissen angestellt und verdienen teils wesentlich besser, wie Hirschi zu Recht betont. Dennoch werden bisher prekär finanzierte Projekte so unweigerlich teurer. Nehmen also insbesondere öffentliche Förderanstalten in Zukunft mehr Geld in die Hand für die gleiche Anzahl Projekte? Oder, so die Befürchtung, wird bei gleicher Finanzierung die Anzahl Projekte drastisch reduziert?
«Unser Ziel ist natürlich nicht, dass es weniger Projekte gibt. Wir wollen vor allem Transparenz schaffen: Was braucht es, um existenzsichernd in der freien Szene zu arbeiten? Und welche Faktoren sind für eine faire Entlöhnung zu berücksichtigen?», sagt Hirschi. Das Tool soll also einen Dialog ohne Fokus auf Emotionen, dafür mit konkreten Zahlen ermöglichen, um Honorare auszuhandeln, Budgets zu erstellen und schlussendlich auch politische Forderungen zu stellen – kurz gesagt: um über Geld zu reden, weil auch Kunstschaffende nicht allein von ihrer Leidenschaft leben können.