Was Helge Schneider nicht sagt

Helge Schneider ist auf Tour. In den nächsten Tagen spielt er zwei Shows im Zürcher Volkshaus. Heute wusste er im Interview im «Tages-Anzeiger» schon mal Erstaunliches zu berichten: «Ich habe das Gefühl, dass ich als einer der letzten Musiker mit richtigen Instrumenten auf die Bühne gehe. Schlagzeug, Klavier, Kontrabass, Gitarre», sagte der Comedian. Neben dem diagnostizierten Instrumentenmangel auf den Bühnen scheint den 68-jährigen im Interview dann besonders eine Frage umzutreiben: Was darf man heute noch sagen?

Im «Tages-Anzeiger»-Interview verweist Schneider dann ungefragt auf Thomas Gottschalk: Dieser raunte in der (zum Glück) allerletzten «Wetten, dass..?»-Folge, dass er auch deshalb aufhören werde, weil er gewisse Dinge ja nicht mehr sagen könne. «Ich empfinde es tatsächlich ähnlich wie er», lässt sich Schneider dann auch zitieren. Was denn genau nicht mehr gesagt werden darf, bleibt dann bei beiden sehr vage.

Dass ausgerechnet jene, die sich jetzt über zu grosse Empfindlichkeit in der Sprache beschweren, selbst extrem empfindlich sind, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Noch paradoxer ist: dass die, die sagen, sie dürften nicht mehr alles sagen, zuverlässig ein Podium erhalten, wo sie dann doch wieder nicht sagen, was sie nicht sagen dürfen. Knapp zwei Monate vor dem «Tages-Anzeiger» war Schneider schon in der NZZ am Sonntag im langen Interview, wo sich der «geniale Universalkünstler» über den vermeintlichen Zwang zum Gendern beschwerte hatte. Ihm könne man nicht einfach eine neue Sprache vorschreiben.

Schneiders Prioritätensetzung in dieser Frage zeugt von einer seltsamen Wahrnehmung, von wem denn die Kunstfreiheit objektiv bedroht wird. Ist nicht beispielsweise der Aufstieg der AfD in Schneiders Heimat Deutschland eine viel realere Bedrohung für den Kunst- und Kulturbetrieb und somit auch für Schneider selbst als die Aufforderung, keine diskriminierende Sprache zu benutzen? Ganz allgemein bleibt der Eindruck, dass Schneiders Kritik ein bisschen gar selbstreferenziell daherkommt. Da passt es auch durchaus auch ins Bild, dass er das Gefühl hat, der Letzte zu sein, der noch echte Instrumente spielt.