«Hetze» und «salonfähig» zählen zu den gängigen deutschen Lehnwörtern, die in der niederländischen Sprache verwendet werden. Davon, wie die Hetze im gesellschaftlichen Diskurs des Landes salonfähig wurde, zeugt der Aufstieg der Partij voor de Vrijheid (PVV), der am heutigen Dienstag seinen bisherigen Höhepunkt erreicht hat: Gemeinsam mit drei Koalitionspartnern bürgerlich-rechter und konservativer Natur bildet die PVV nach ihrem haushohen Wahlsieg im November nun die Regierung.
Dass PVV-Galionsfigur Geert Wilders als Premierminister nicht vermittelbar war, mag ihn persönlich betrüben, macht inhaltlich aber keinen Unterschied. An seiner Stelle wird der parteilose Spitzenbeamte Dick Schoof nun Regierungschef. Schoof, ehemaliger Leiter von Geheimdienst und Einwanderungsbehörde, ist ein Quereinsteiger ohne Erfahrung in politischen Ämtern und hat bereits angekündigt, er werde den im Mai präsentierten Koalitionsvertrag ausführen. Dieser kombiniert Euro- und Klimaskepsis mit Kaufkraftmassnahmen, Wohnungsbauprogrammen und einer populistischen Version von mitfühlendem Konservatismus. Kernstück ist ein Migrationsabwehrprogramm; man brüstet sich, es sei das strengste Europas.
Diese Art von Rhetorik ist in dem Land, das lange stolz auf seine progressiv-liberale politische Kultur war, in den letzten zwanzig Jahren mehrheitsfähig geworden. War etwa «eigen volk eerst» (das eigene Volk geht vor) einst als rechtsextreme Parole geächtet, ist es heute weitgehend Konsens. Für einen «Asylstopp» sprachen sich in Umfragen mehrfach weit über die Hälfte der Teilnehmenden aus. Wilders selbst forderte die Bevölkerung wiederholt auf, «Widerstand» gegen die Unterbringung Geflüchteter zu leisten – mit Erfolg. Im Wahlkampf bescheinigten ihm etablierte Medien, er sei moderater geworden, dabei warnt er regelmässig vor einem «Asyltsunami».
Die Niederlande sind ein Musterbeispiel dafür, was geschieht, wenn konservative, liberale und sozialdemokratische Parteien rechtsextreme Inhalte übernehmen, um deren Urheber:innen das Wasser abzugraben. PVV-Gesundheitsministerin Fleur Agema kündigte unlängst stolz «das rechteste Kabinett aller Zeiten – mit einem warmen sozialen Herzen» an. Das übrige Europa sollte angesichts solcher Warnungen die Ohren spitzen: Die Parallelen zu anderen Ländern sind überdeutlich.