Haftstrafe für Matteo Salvini?
Matteo Salvini bekennt sich schuldig: «schuldig, Italien und die Italiener verteidigt zu haben». Was Salvini Landesverteidigung nennt, ist für die Staatsanwaltschaft von Palermo Freiheitsberaubung und Amtsanmassung in 147 Fällen. In ihrem Strafantrag fordert sie deshalb sechs Jahre Haft für Salvini, in dem sie den alleinigen Täter sieht. Im August 2019 hatte der Kopf der rechtsextremen Lega als Innenminister und Vizepremier unter Giuseppe Conte (Fünf-Sterne-Bewegung) neunzehn Tage lang die Landung des spanischen Rettungsschiffs Open Arms in einem italienischen Hafen verhindert.
An Bord befanden sich unter anderem Geflüchtete aus Eritrea, die am 1. und 2. August unweit der libyschen Küste gerettet worden waren. Auf Anweisung von Salvinis Ministerium wurde dem Schiff die Landung auf Lampedusa untersagt – das wäre der nächstgelegene sichere Hafen gewesen. Weit entfernte alternative Angebote der spanischen Regierung, darunter das südspanische Algeciras oder die Balearen, kamen aus Sicht der Crew nicht in Betracht. Erst am 20. August 2019 konnten die 83 noch an Bord befindlichen Geflüchteten in Lampedusa an Land gehen.
Unmittelbar danach begann die Staatsanwaltschaft mit ihren Ermittlungen, und ein halbes Jahr später wurde Salvini die parlamentarische Immunität entzogen. Für die Italien regierende Rechte und ihre internationalen Sympathisant:innen bleibt er ein Held und Opfer einer von der linken Opposition gelenkten politischen Justiz. Giorgia Meloni versicherte ihm ihre «totale Solidarität». Ob Salvini tatsächlich ins Gefängnis muss, ist fraglich. Bis zu einem rechtskräftigen Urteil werden wohl ohnehin Jahre vergehen.
Und dennoch ist schon der Strafantrag eine Ermutigung für die europaweit systematisch kriminalisierte Seenotrettung. Zeigt er doch, wer die wahren Kriminellen sind – und ihre Kompliz:innen. Das Wutgeheul der Rechten, in das auch noch der rechtslibertäre Techmilliardär Elon Musk einstimmte, beweist einmal mehr, dass sie nicht nur systematisch Menschenrechte verletzen, sondern auch demokratische Standards wie die Gewaltenteilung missachten.