In der Türkei wurde gestern der prominente Bergsteiger und parteilose Oppositionelle Nasuh Mahruki festgenommen. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, über soziale Medien «irreführende Informationen» verbreitet zu haben, die das Vertrauen in staatliche Institutionen, insbesondere die höchste Wahlbehörde YSK, untergraben würden.
Mahruki hatte in einem Beitrag auf X die Zuverlässigkeit der Behörde infrage gestellt. Er reagierte damit auf Statements von YSK-Chef Ahmet Yener. Dieser hatte in den USA die Präsidentschaftswahlen beobachtet und nach seiner Rückkehr angekündigt, die Türkei müsse zwingend auch bald die elektronische Stimmabgabe einführen. Mahruki äusserte sich kritisch über dieses Vorhaben und brachte in seinem Beitrag sein Misstrauen gegenüber Yener und der YSK zum Ausdruck. Seine Position ist weitverbreitet: Grosse Teile der Opposition haben das Vertrauen in die Regierung verloren und trauen ihr vieles zu – auch Wahlmanipulation. Dass die Regierung nun Mahruki für seine Ansichten bestraft, ist kein Zufall: Sie will am prominenten Oppositionellen ein weiteres Exempel statuieren.
Nasuh Mahruki ist eine gefragte Persönlichkeit in der Türkei. Bekannt ist er einerseits für seine Leistungen als Alpinist und andererseits für sein Engagement in der Katastrophenhilfe. Er ist Mitbegründer der türkischen Such- und Rettungsorganisation Akut, der er auch lange Zeit als Präsident vorstand. Akut leistete nach dem verheerenden Erdbeben von 1999 in der Westtürkei entscheidende Hilfe für die Opfer und trug in den Folgejahren dazu bei, die Notfallrettung im Land zu professionalisieren. In diesem Zusammenhang hat Mahruki immer wieder die Katastrophenhilfepolitik der AKP-Regierung inhaltlich kritisiert und sieht bei ihr auch eine Mitschuld an den hohen Opferzahlen des Erdbebens von 2023 in der Südosttürkei. Darüber hinaus ist er für seine kritischen Ansichten zur Regierung, insbesondere in Bezug auf die Themen Rechtsstaatlichkeit und Meinungsfreiheit, bekannt.
Mahrukis Festnahme steht im Kontext einer erneuten Repressionswelle der Regierung, die mit der geplanten Verabschiedung des sogenannten Agentengesetzes bald ein neue Stufe erreichen könnte: Der Gesetzesentwurf sieht Haftstrafen von drei bis sieben Jahren für Personen vor, die «im Interesse ausländischer Staaten oder Organisationen Nachforschungen anstellen, die als gegen die Sicherheit des türkischen Staates gerichtet» angesehen werden könnten. Diese vage Formulierung des Gesetzes könnte zu willkürlichen Verhaftungen führen, warnen Kritiker:innen. Die Festnahme von Mahruki ist also nicht nur ein Angriff auf seine Person, sondern auch ein Signal an alle: In der Türkei wird oppositionelle Meinung nicht toleriert. Künftig noch viel weniger.