«Die Mitte» hat keine Lust

Wenn ein Bundesratsmitglied zurücktritt, setzt es sich jeweils in Gang: das Kandidat:innenkarussell. Es beginnt das grosse mediale Spekulieren: Wer ist die aussichtsreichste Kandidatin? Welcher Überraschungsanwärter bringt sich in Stellung? Wo lauern Machtkämpfe? Auch nach dem vergangene Woche angekündigten Rücktritt von Mitte-Bundesrätin Viola Amherd sassen die Bundeshausjournalist:innen mit gespitztem Bleistift parat. Doch dann? Flaute.

Das Kandidat:innenkarussell der Mitte-Partei will einfach nicht in Schwung kommen. Abgesagt hat als Erster Kronfavorit Gerhard Pfister. Ausgerechnet er, dem seit Jahren Bundesratsambitionen nachgesagt werden und der diese mit dem Rücktritt als Parteipräsident doch scheinbar bekräftigt hatte. Aus dem Rennen genommen haben sich inzwischen auch alle anderen Favorit:innen: der Bündner Nationalrat Martin Candinas, die Urner Ständerätin Heidi Z’graggen, die Freiburger Ständerätin Isabelle Chassot, der St. Galler Ständerat Benedikt Würth und Fraktionspräsident Philipp Matthias Bregy. Vages Interesse an einer Kandidatur angemeldet haben bislang nur der Zürcher Nationalrat Philipp Kutter, die Luzerner Ständerätin Andrea Gmür und der Walliser Staatsrat Christophe Darbellay.

Was ist da bloss los bei der Mitte? Auffällig ist die nonchalante Unmotiviertheit der Favorit:innen. Chassot begründete ihren Verzicht mit der kryptischen Aussage, sie habe «keine Lust, Lust zu haben». Candinas schrieb: Das Bundesratsamt «entfacht aktuell kein inneres Feuer in mir». Und Pfister gab an: «Ich wäre kein glücklicher Bundesrat.»

Die Lustlosigkeit der Mitte kommt nicht von ungefähr. Wer sich im März in den Bundesrat wählen lässt, muss mindestens bis zu den nächsten offiziellen Bundesratswahlen Ende 2027 das Verteidigungsdepartement von Viola Amherd übernehmen. Ein Departement, das tief in der Krise steckt. Die Armee lässt bei der Aufrüstung keinerlei Strategie erkennen. Aktuell macht die Landesverteidigung zudem mit zahlreichen Beschaffungspannen von sich reden.

Auch der Gesamtbundesrat steckt in der Krise: Die Regierung agiert in wichtigen Fragen wie dem Europadossier unkoordiniert und ungeschickt. Gleichzeitig spielt der rechte Viererblock aus SVP und FDP immer ungenierter seine Macht aus. Gerade deshalb aber ist es entscheidend, wen die Mitte für die Ersatzwahl am 12. März nominiert: Kommt noch ein Rechtskonservativer, wird deren Macht im Bundesrat weiter zementiert.

Doch auch an der heutigen Pressekonferenz der Mitte-Partei war von Dringlichkeit nicht viel zu spüren. Die Partei informierte lediglich: Die Kantonalparteien sollten nun bis am 3. Februar Vorschläge machen zuhanden der Findungskommission. Immerhin konnte Gerhard Pfister sich eine kleine Breitseite in Richtung Bundesrat nicht verkneifen: Teamfähigkeit sei bei Bundesratskandidat:innen als Qualität gefragt, sagte er. «Besonders in diesem Bundesrat.»