Bundesratswahlen: Pfisters Debakel

Nr. 6 –

Die desolate Bundesratskampagne der Mitte-Partei offenbart die Schwächen und Versäumnisse der Parteileitung. Nun muss sich Die Mitte die Frage gefallen lassen: Ist sie überhaupt bundesratstauglich?

Mitte-Fraktionschef Philipp Matthias Bregy und Parteipräsident Gerhard Pfister
Souverän sieht anders aus: Mitte-Fraktionschef Philipp Matthias Bregy und Parteipräsident Gerhard Pfister. Foto: Peter Schneider, Keystone

Am Ende redeten der abtretende Parteipräsident Gerhard Pfister und sein Fraktionspräsident Philipp Matthias Bregy die Sache schön. Man präsentiere hier mit Markus Ritter und Martin Pfister schliesslich äusserst fähige und qualifizierte Kandidaten für den Bundesrat, sagten sie am Montag den anwesenden Journalist:innen.

Doch zu diesem Zeitpunkt war längst nicht mehr zu bemänteln, wie desolat dieser Findungsprozess abgelaufen ist. Wie peinlich für Die Mitte. Die Absageliste – schier endlos. Bis kurz vor Montagmittag, der Deadline, hatte einzig Bauernpräsident Ritter sein Interesse am Amt angemeldet. Erst auf den letzten Drücker meldete sich schliesslich auch noch der weitgehend unbekannte Zuger Regierungsrat Martin Pfister als Kandidat. Das angestrebte Zweierticket: hingeknorzt. Die Auswahl: unbefriedigend. Zwei rechtsbürgerliche Männer, keine Kandidat:innen unter 55 Jahren, keine Frauen.

Nach dem Debakel stehen zwei Fragen im Raum: Was war da los? Und werden sich die anderen Bundesratsparteien das Ticket der Mitte-Partei gefallen lassen?

Grabenkämpfe in der Fraktion

Offen reden will bei der Mitte am Dienstag kaum jemand. Doch hinter vorgehaltener Hand wird die Kritik an der Parteileitung um Gerhard Pfister lauter. Diese habe seit Viola Amherds Rücktritt zu wenig Strategie erkennen lassen, sagt ein Parlamentsmitglied. Ein anderes Mitglied der Fraktion beschreibt die Partei als «unkontrollierten Haufen».

Konkrete Vorwürfe äussern die beiden als aussichtsreiche Kandidatinnen gehandelten Frauen Andrea Gmür und Elisabeth Schneider-Schneiter: Gerhard Pfister oder jemand anderes aus der Findungskommission hätten sich nie mit ihnen für Gespräche in Verbindung gesetzt. Pfister sagt dazu: Der Lead für die Nominationen habe zwar bei den Kantonalparteien gelegen. «Die Mitglieder der Findungskommission führten aber zahlreiche Gespräche, auch mit den von Ihnen erwähnten Personen.»

Die Konflikte, die bei der Mitte-Partei nun offenbar werden, haben ihren Ursprung weit vor Viola Amherds Rücktritt. Pfister und seiner Generalsekretärin Gianna Luzio gelang es nicht, die Fraktion hinter ihrem «sozialkonservativen Kurs» zu vereinen. Die Grabenkämpfe verstärkten sich, insbesondere mit den rechtskonservativen Mitte-Ständeräten, die Pfisters Urbanisierungskurs nicht mittragen. 

Fragen wirft der öffentlich ausgetragene Konflikt um das Generalsekretariat auf: Bis heute werfen einzelne Personen Generalsekretärin Luzio vor, dort «ein Klima der Angst» geschaffen zu haben. Sie erhoben ihre Vorwürfe 2023 jedoch anonym und über einen externen Anwalt. Pfister wiederum beschreibt die Anschuldigungen als «politisch motiviert»: «Partei- und fraktionsinterne Machtkämpfe mit mir als Präsidenten werden auf unfaire Art und Weise auf dem Rücken unserer Mitarbeitenden ausgetragen.» Die Kritiker:innen hätten kein Interesse an einer echten Aufarbeitung gezeigt, «und es ist bis jetzt in keinem Fall zu einer Anklage gekommen». Auch der externe Ombudsmann der Mitte entlastete Luzio in einer Untersuchung, die die WOZ einsehen konnte.* 

Fakt ist: Die Mittefraktion zerfiel zunehmend in einzelne Gruppen, was wohl dazu beigetragen hat, dass sich einige potenzielle Kandidat:innen zurückhielten. Und Pfister selbst?

Ein Mann im Stall

Ob das Zuger «animal politique», über das lange das Bonmot kursierte, es sehe, wenn es in den Spiegel schaue, immer einen Bundesrat, wirklich nie vorhatte zu kandidieren – oder ob Pfister sich am Ende einfach zu wenige Chancen ausrechnete, weiss wohl niemand so genau. Augenfällig ist, dass Die Mitte schlicht keine Kandidat:innen für die Nachfolge ihrer Bundesrätin aufgebaut hat. «Wer selber will, der spricht nicht mit anderen», sagt ein Fraktionsmitglied, während eine andere Mitte-Parlamentarierin Pfister «Koketterie» und eine fehlende Lust zur Klärung unterstellt. Pfister selbst nimmt dazu keine Stellung.

Nun also: Ritter und der andere Pfister. Zwei Kandidaten, die die Mitte-Fraktion am 21. Februar allein deshalb auf ihr Ticket setzen wird, weil nur sie zur Verfügung stehen. Welche Schweiz Bauernpräsident und Favorit Ritter im Bundesrat vertreten würde, illustriert eine Szene aus einem «Rundschau»-Beitrag schön: Ritter spritzt im Stall seine Stiefel ab, sagt dann, seine Frau schaue normalerweise, dass er passend angezogen sei. Aber für die Pressekonferenz zu seiner Bundesratskandidatur habe die PR-Agentur Extraanweisungen gegeben. «Etwas Helles, nichts Rotes … Ich habe das dann meiner Frau gesagt, und sie hat etwas rausgesucht.»

Ritter ist einer dieser Männer, die ihren Wirkungsradius ganz selbstverständlich ausserhalb der häuslichen Sphäre orten und ihren eigenen Führungsanspruch so wenig infrage stellen wie die reaktionäre Gesellschaftsordnung. Im Parlament hat der Katholik die «Geld-und-Gülle-Allianz» mit den Wirtschaftsverbänden geschmiedet und in erster Linie die Pfründe seiner eigenen Bauernklientel verteidigt (siehe WOZ Nr. 5/25).

Auch Martin Pfister würde sich gut in den vom SVP-FDP-Viererblock dominierten Bundesrat einfügen. In Zug regiert er unter den gleichen Machtverhältnissen. Luzian Franzini, der für die Grünen im Zuger Kantonsparlament sitzt, sagt: «Ich erlebe ihn als relativ unscheinbaren Regierungsrat, der kein Gegengewicht zur rechten Mehrheit setzt.» Pfister sei ein typischer Vertreter der Zuger Mitte, die vielleicht etwas urbaner daherkomme als die Rheintaler Mitte um Ritter. «Aber sie ist in dem Sinne rechtsbürgerlich, als sie den Status quo verteidigt. Man sitzt in allen wichtigen Verbänden und stellt insbesondere die aggressive Tiefsteuerpolitik des Kantons nie infrage.»

Geht der Sitz verloren?

Mit dem unausgegorenen Ticket stösst Die Mitte den liberal-progressiven Teil des Parlaments vor den Kopf. So sehr, dass die GLP mittlerweile eine eigene Kandidatur erwägt. Man werde beide Kandidaten der Mitte anhören und danach entscheiden, schreibt GLP-Fraktionspräsidentin Corina Gredig auf Anfrage. Eine bemerkenswerte Aussage, da der Anspruch der Mitte-Partei auf ihren einzigen Bundesratssitz im Grundsatz unbestritten ist.

Übervertreten ist im Bundesrat vielmehr die FDP, deren zweiter Sitz längst wackelt. Jetzt Die Mitte wieder wählen – und beim nächsten FDP-Rücktritt in einer gemeinsamen Allianz aus Grünen, Grünliberalen und der Mitte den FDP-Sitz angreifen: Dass die GLP nun diesen Plan aufzugeben droht, zeigt, wie sehr Die Mitte gerade das Vertrauen in sich schädigt. Greifen die Grünliberalen tatsächlich an, dürften sie argumentieren, dass sich Die Mitte erst neu sortieren und beim frei werdenden FDP-Sitz eine bessere Auswahl präsentieren müsse.

Ob die SP und die Grünen eine GLP-Kandidatur überhaupt unterstützen würden? Das wollen die Parteien derzeit nicht kommunizieren. SP-Fraktionspräsidentin Samira Marti schreibt jedoch: «Wir haben ein Ticket mit Persönlichkeiten unabhängig vom SVP-FDP-Block erwartet.» Ein Spaziergang wird der Bundesratswahlkampf für die reaktionären Mitte-Männer jedenfalls nicht.

*Korrigenda vom 27. Februar 2025: In der Printversion sowie in der alten Onlineversion dieses Textes versäumte es die WOZ, Gerhard Pfister und Gianna Luzio zum Konflikt Stellung beziehen zu lassen. Nach einem Hintergrundgespräch haben wir die Stelle ergänzt. Die Sätze «Kritikerinnen aus den Reihen der Mitte sagen bis heute, dass sich die Parteispitze um die nötige Aufarbeitung foutiere» sowie «Jemand sagt: ‹Fakt ist, es herrschten schlimme Zustände, und niemand ist bereit, das zu untersuchen›» haben wir gelöscht.