Mädchenhaus: Sieben Plätze für die ganze Schweiz
Das Mädchenhaus Zürich feiert sein dreissigjähriges Bestehen – und bleibt nötig: Jährlich bietet es durchschnittlich fünfzig Mädchen und jungen Frauen Schutz vor Gewalt. So auch D.: «Die erste Nacht habe ich bei einer Freundin verbracht, ich hatte mein Handy ausgeschaltet, und am nächsten Morgen habe ich im Mädchenhaus angerufen und konnte auch am gleichen Morgen dahinfahren», schreibt sie ein Jahr nach ihrem Aufenthalt in einem anonymisierten Text auf der Website des Hauses.
Das Angebot ist schweizweit einzigartig, die Nachfrage entsprechend gross: «Es gibt Tage, an denen haben wir zehn Anfragen und nur einen freien Platz», erzählt Mädchenhaus-Geschäftsleiterin Maria Mondaca. «Wir haben sieben Plätze – für die ganze Schweiz.» Und die seien meist voll belegt. «Aus den vielen Anfragen auswählen zu müssen, das darf kein Zustand sein», so Mondaca.
Im letzten Jahr mussten viele Mädchen und junge Frauen an andere Schutzplätze weitervermittelt werden. Obwohl die Mitarbeiterinnen des Mädchenhauses nebst der Betreuung vor Ort auch mit anderen Unterstützungsangeboten rund um die Uhr erreichbar seien, fühle es sich manchmal so an, als würde man die jungen Frauen in einer belastenden Situation allein zurücklassen, erklärt Mondaca. Das fehlende politische Engagement für mehr spezialisierte Schutzplätze bedauert sie sehr.
Der Bedarf wird auch in Zukunft weiter zunehmen: Nach wie vor ist Gewalt in der Erziehung ein weit verbreitetes Phänomen. Jede:r fünfte Jugendliche hat nach eigenen Angaben hierzulande schon einmal schwere Gewalt im familiären Kontext erlebt – zu diesem Schluss kommt ein Bericht des Eidgenössischen Büros für die Gleichstellung von Frau und Mann (EBG). Auch die Gewaltdelikte an Mädchen, worunter schwere Körperverletzung und sexualisierte Gewalt fallen, steigen in der Schweiz an.
«Ich habe mir jahrelang überlegt, von zu Hause auszuziehen, und als ich im Mädchenhaus war, war ich erstaunt, wie viel jünger andere Mädchen waren», beschreibt D. ihren Eintritt ins Mädchenhaus. Im Unterschied zu erwachsenen Frauen benötigen Mädchen und junge Frauen eine engmaschige Betreuung, die auf ihre Lebensphase, ihre psychische Entwicklung und ihre individuellen Schutzbedürfnisse eingeht. Um diese Betreuung sicherzustellen, braucht es Ressourcen, wie dann auch Mondaca betont. «Jedes Mädchen hat das Recht auf ein gewaltfreies Leben, Schutz und Perspektive», das sagt nicht nur sie. So will es auch die Uno-Kinderrechtskonvention, zu der sich die Schweiz verpflichtet hat. Gleiches gilt auch für die Istanbuler Konvention. Gemeinsam mit der Dachorganisation der Frauenhäuser Schweiz und Liechtenstein (DAO) fordert Mondaca deswegen: «Es ist an der Zeit, diese Rechte endlich umzusetzen.»