Meret Schneider: Der Shitstorm gibt ihr recht

«Heute betrifft es Deutschland, in ein paar Jahren vielleicht die Wahlen in der Schweiz», äusserte sich die grüne Nationalrätin Meret Schneider im Interview mit der «SonntagsZeitung» mit Bezug auf die politische Einflussnahme von Plattformen wie X, Facebook und Tiktok. Die Techgiganten könnten zur realen Gefahr für die Demokratie werden, der aktuelle Wahlkampf in Deutschland, bei dem Posts der AfD gepusht und gegnerische Inhalte unterdrückt würden, sei ein gutes Beispiel dafür. Und ihre Macht müsse deswegen eingeschränkt werden.

Die Forderung nach einer stärkeren Regulierung der Techunternehmen hat Schneider nun einen wüsten Shitstorm eingebracht: Die Politikerin sieht sich sogar mit Mord- und Gewaltdrohungen konfrontiert. Das deutsche Desinformationsportal disclose.tv trug massgeblich zur Eskalation bei, indem es Schneiders Aussagen ohne Kontext und reisserisch auf X verbreitete – mit Hunderten Weiterleitungen. Dabei hatte Schneider im Gespräch mit der «SonntagsZeitung» lediglich eine legitime Forderung formuliert. Sie schlug vor, dass mit einem entsprechenden Gesetz unter anderem eine klare Kennzeichnung von Werbung sowie eine einfachere Meldung von Hass und Gewalt ermöglicht werden sollen. Die Debatte um ein solches Gesetz war zuvor ins Stocken geraten  – bereits zweimal wurde die Vernehmlassung zu einer entsprechenden Vorlage verschoben. Mit ihrem Vorstoss wollte Schneider also eine Wiederaufnahme der Debatte erreichen und Bewegung in den Prozess bringen. 

Nicht nur in der Schweiz wird über Social-Media-Regulierungen debattiert. Zwischen den USA und der EU gibt es aktuell auch diesbezüglich Spannungen: US-Vizepräsident J. D. Vance warf der EU am KI-Gipfel in Paris vor, mit dem Social-Media-Regulierungsgesetz Digital Services Act zu weit gegangen zu sein. Amerika werde das nicht akzeptieren. 

Es ist bemerkenswert: Die heftigen Reaktionen auf Schneiders Forderung bestätigt deren Dringlichkeit. Der Shitstorm zeigt, wie unregulierte Plattformen Desinformation und Hass verstärken – und auch, dass klare Regeln unumgänglich und bitter nötig sind.