Höllenritt im «Club»
Bei manchen Diskussionen frage ich mich, ob ich versehentlich in einem Paralleluniversum gelandet bin – oder ob gewisse Teilnehmer:innen doch schon von den teuflischen Bohnen aus dem Weltall übernommen wurden, die wir aus dem Film «Body Snatchers» kennen. Ein solcher Höllenritt war der gestrige «Club» auf SRF zum Thema: «Trump und Musk – Wird die USA zur Tech-Oligarchie?».
Nachdem Sönke Iwersen, Journalist beim «Handelsblatt» und Autor des Buchs «Die Tesla-Files», kurz über seine Recherchen zu massiven Datenlecks und missglückten Tests des Tesla-Autopiloten berichtet hatte, war man schnell bei Elon Musk als ungewähltem US-«Schattenpräsidenten».
Das sei in den USA nichts Neues, warf Peter Hossli, Leiter der Ringier-Journalistenschule, ein: Der Einfluss von John D. Rockefeller (1839–1937) sei viel grösser gewesen als jener von Musk, weil er das gesamte Ölgeschäft kontrolliert habe. Und auch die Männer, die das Eisenbahnnetz auf dem Kontinent gebaut hätten, seien enorm mächtig gewesen, doppelte Rahul Sahgal, CEO der Schweizerisch-Amerikanischen Handelskammer, nach. Reiche Männer hätten schon immer die Politik beeinflusst.
Oliver Nachtwey, Professor für Sozialstrukturanalyse an der Uni Basel, und Adrienne Fichter, Techreporterin der «Republik», versuchten zwar wiederholt, sich in die apologetischen Redeflüsse von Hossli und Sahgal einzuklinken – aber deren Begeisterung fürs Silicon Valley war kaum zu bremsen. Dass Techmilliardäre wie Musk, Bezos oder Zuckerberg, die früher fest demokratisch wählten, bei Trumps Inauguration in der ersten Reihe sassen und nun – wie Musk – den Staat aktiv demontieren, erklärte Hossli so: Schon unter Obama seien die Techfirmen reguliert worden, und Biden habe sie dann «extrem» eingeschränkt. «Die Leute im Silicon Valley waren verwirrt. Die wussten nicht mehr, was mit ihnen geschieht. Dann hat Trump sie zum Essen eingeladen, sie bewirtet. Und sie haben gemerkt: Hey, dieser Trump will eigentlich das, was wir wollen – Produkte schaffen, die gut für die Welt sind!»
Wenn sich Nachtwey, Fichter oder Iwersen zu Wort meldeten, war das jeweils ein kurzes Aufatmen – dann kam wieder eine Realität zur Sprache, wie ich sie kenne: eine Welt, in der seit zwei Jahrzehnten von uns Privatpersonen riesige Datenmengen gesammelt werden, um KI-Modelle zu trainieren, die inzwischen alle gesellschaftlichen Bereiche beeinflussen oder gleich ganz organisieren sollen.
Ziel sei das Zeitalter der «Singularität», erklärte Oliver Nachtwey – ein Zustand, in dem KI und Technologie die Gesellschaft eigenständig steuerten, sodass Demokratie überflüssig werde. Denn letztlich, so Nachtwey, liessen sich wirtschaftliche Freiheit und Demokratie nicht miteinander vereinbaren.
Peter Hossli hielt das nicht davon ab, ein Loblied auf die Meinungsfreiheit zu singen – eine Freiheit, die für Europäer:innen schwer auszuhalten sei. Es gebe da den «marketplace of ideas», wo sich am Ende die beste Idee durchsetze. Wenn man daran glaube, müsse man auch schlechte Ideen zulassen. Dass Adrienne Fichter betonte, auf X und anderen Plattformen herrsche kein freier Ideenmarkt, sondern eine beispiellose Zensur, beeindruckte ihn wenig. Dass Social-Media-Algorithmen – im Fall von X persönlich von Musk manipuliert – bestimmte Inhalte systematisch verstärken, scheint ihm entgangen zu sein.