US-Wahlen: Medien­herrschaft der Tech­milliardäre

Nr. 46 –

Donald Trumps Wahlsieg ist auch ein Triumph für die Reaktionäre des Silicon Valley. Entscheidend war nicht zuletzt Elon Musk, der die Plattform X zu seinen Gunsten umgebaut hat.

Elon Musk und Donald Trump geben sich die Hände
Patsch, patsch: Zwei bekannte Männer beim diplomatischen Vorspiel. Foto: Anna Moneymaker, Getty

Donald Trump weiss wohl, dass er seinen Wahlsieg zu einem gewissen Grad den Superreichen des Silicon Valley verdankt. Denen, die sich zurückhielten oder Politik einfach von ihren Plattformen fernhielten, wie Amazon-Chef Jeff Bezos und Meta-Chef Mark Zuckerberg. Und jenen, die ihm offen unter die Arme griffen. Vor allem eben Elon Musk, den Trump soeben zum Leiter eines neuen Gremiums mit dem Auftrag, Regierungsausgaben zu kürzen, ernannt hat.

Seit er den Kurznachrichtendienst im April 2022 übernahm, hat der Milliardär Twitter/X zu einem reaktionären Sprachrohr umgebaut. Wie die «Washington Post» in einer Datenauswertung gezeigt hat, nahm die virale Verbreitung der Postings republikanischer Abgeordneter auf X seither im Vergleich zu denen ihrer demokratischen Kolleg:innen stark zu. Musk tat als Besitzer genau das, was er Twitter zuvor immer vorgeworfen hatte: Er spielte mit dem Algorithmus, um ihm genehmen Content nach oben zu spülen.

Manchmal ging es dabei eher um Musks eigenen Narzissmus – etwa als er, wie das Branchenmagazin «Platformer» seinerzeit berichtete, mitten in der Nacht die Programmierer:innen in San Francisco zusammentrommelte, um am Algorithmus zu schrauben, weil ein Tweet von US-Präsident Joe Biden zum Super Bowl mehr Likes erhalten hatte als Musks eigener. Aber in einer Gesellschaft, in der die Aufmerksamkeit immer stärker von einigen wenigen Megareichen gesteuert wird, die immer mehr Macht über die Medienlandschaft ansammeln, bekommen selbst Marotten schnell eine politische Dimension. In den vergangenen achtzehn Monaten ist X zum Abbild seines Besitzers geworden – seiner Marotten, aber eben auch seiner politischen Ansichten.

Was der blaue Haken neu bedeutet

Form und Inhalt fallen dabei in eins. Musk hat bekanntlich die Kenntlichmachung «offizieller» Profile (das berühmte blaue Häkchen) auf eine Bezahlbasis umgestellt. War dieser «blue check» früher einmal ein Zeichen, dass hier wirklich ein Journalist oder eine Politikerin, eine Stiftung, Partei oder ein Ministerium twitterte, gilt auf X mittlerweile: Das Häkchen ist ein Indiz, dass der oder die betreffende User:in Musk für den Account bezahlt und – im Normalfall – dass er respektive sie mit dem X-Eigner auf einer Wellenlänge ist.

Die Chefs des Kurznachrichtendienstes, zuerst Jack Dorsey, dann Elon Musk, haben Twitter/X immer als digitalen Dorfplatz angepriesen. Manche fanden, dafür gehe es auf Twitter zu ruppig zu, dabei lag das Problem ganz woanders: Es war unklar, ob die User:innen und ihr Meinungsaustausch authentisch waren. Die zwei Jahre, seit Musk die Plattform übernommen hat, haben diese Frage endlich beantwortet. Wer heute einem Dialog auf X beiwohnt, muss davon ausgehen, dass er oder sie ein Schattenboxen miterlebt. Ein Schattenboxen jedoch, das höchst reale Wirkungen zeitigt: Es erzeugt ein Zerrbild dessen, was «die Öffentlichkeit» oder «die Gesellschaft» denken, und durch Verzerrung verändert es diese natürlich auch.

Viele dieser Profile repräsentieren keine echten User:innen. Sie sind «farmers», sie leben von «impressions», der Häufigkeit, mit der ihre Postings angezeigt werden, also von Aufmerksamkeit. Entweder sie wollen etwas verkaufen – Kryptowährung, alternative Heilmittel, Goldbarren –, oder sie verkaufen sich selber. Möglich machen es zwei weitere Neuerungen Musks: Er hat fast alle hochwertigen Werbeträger:innen vergrault – was bleibt, sind Hochstapler und Werbeträgerinnen, die mit Musk einer Meinung sind. Und er hat die Möglichkeit geschaffen, Posts zu monetarisieren – wer ein blaues Häkchen hat, kann mit seinen «impressions» Geld verdienen. Das geht am besten, wenn man automatisiert und einfach auf alles antwortet.

Es ist wichtig, diese Veränderungen, so kleinteilig sie klingen mögen, genau zu benennen. Denn en gros weisen sie alle in dieselbe Richtung. Gewiss, es ist ein Problem, dass Musk im vergangenen Jahr immer offener als Trump-Propagandist auftrat. Gewiss ist es ein grosses Problem, dass der Chef eines Nachrichtendienstes selber permanent Fake News verklappt. Aber ihre destruktive Wirkung konnten Musks Verschwörungserzählungen, sein Rassismus und seine Lügen vor allem deshalb entfalten, weil Musk seine Plattform Schritt für Schritt auf sich und auf sie zugeschnitten hat.

Klar, der Hickhack um die kleinen blauen Häkchen war eine Posse. Aber die dahinterstehende unheilvolle Dynamik war erst in diesem Herbst in voller Härte zu erkennen. Es ging nicht darum, dass das National Public Radio keinen «blue check» mehr hatte oder dass ein anonymer User namens «@ Catturd2» mit über drei Millionen Follower:innen plötzlich einen solchen hatte. Vielmehr fielen die vermittelnden Instanzen weg. «You are the media now», frohlockte Musk – er hatte seine User:innen (die User:innen, die seiner Meinung waren) zu solchen ernannt, in bester Gutsherrenart. Absolute Gleichbehandlung von Gnaden eines Einzigen – Musk versucht das zwar als radikale Demokratie zu verkaufen, aber das funktioniert eben nur, wenn man ihn nicht mitdenkt.

Technofeudalismus

Das also ist die mediale Dynamik der Stunde: Auf der einen Seite der Lehnsherr, der Rollen und Privilegien vergibt. Und auf der anderen die zuarbeitenden Gefolgsleute, die sich durch Anpassung an ihn Vorteile verschaffen: Technofeudalismus in Medienform.

Und diese Dynamik mag Musk auf die Spitze getrieben haben, erfunden hat er sie nicht. Die in den USA allgemein grassierende Nachrichtendeprivation geht eher auf das Konto von Meta denn auf das von X. Denn Twitter/X hat natürlich immer auch den Newscontent der anderen eingesogen; Mark Zuckerbergs Meta hingegen, der Konzern von Plattformen wie Facebook und Instagram, hat nach 2016 entschieden, «politische» Inhalte algorithmisch zu unterdrücken. Zuckerberg hat das immer gerne als Neutralität verkauft, aber wer ihm genau zuhört, merkt, dass es alles andere als neutral ist.

Das ungefilterte und unkontrollierte Selfpublishing, von Facebook über Substack bis zu den monetarisierten Posts auf X, entspringt den Grundprämissen des Silicon Valley. Dieses hat dadurch auch den Verfall der Medien mit nationaler Ausstrahlung stark beschleunigt. Viele der etablierten Medien, an denen sich Musk in seinen Posts über die «legacy media» abarbeitet, gehören längst seinen Mitmilliardären, die diesen Herbst mit einer ähnlichen Schamlosigkeit wie Musk den Daumen auf die Waage drückten. Die US-Amerikaner:innen leben in einem Informationssystem, das diese wenigen Megareichen für sie geschaffen haben.

Auch deshalb konnte man sich bei vielen wichtigen Themen in diesem Präsidentschaftswahlkampf so gut wie gar kein objektives Bild machen. Ob Kriminalität, Einwanderung oder auch nur Inflation, irgendwelche Influencer:innen dominierten die Diskussion, und man wusste nie: War das, was sie sagten, Selbstdarstellung? War es politischer Agitprop? Oder ein Versuch der Vermarktung, sei es der eigenen Marke oder irgendeiner windigen Kryptowährung? Diese Menschen hängen nicht mehr von den alten Systemen der Prominenz ab; aber wirklich unabhängig sind sie auch nicht. Sie gedeihen und vergehen je nach den Stellschrauben der Algorithmen in den Firmenzentralen – «content moderation», «monetization» usw.

Denn gewiss, Jeff Bezos mag seiner «Washington Post» verordnet haben, keine Wahlempfehlung für Kamala Harris auszusprechen, aus Sorge um seine Geschäftsinteressen, sollte Trump ihn deswegen abstrafen wollen. Aber liest man Bezos’ selbstgefällige Belehrung jener erzürnten Leser:innen, die darauf ihr Abonnement stornierten, dann schwant einem viel Übleres: Dieser Mann belügt sich selbst. Die Presse habe neutral zu sein, führte Bezos aus – während er klar Partei ergriff, und zwar aus Angst ums Geschäft.

Wir verhandeln, debattieren, kämpfen nicht auf einem Terrain, das aus den Geschäftsinteressen dieser Männer besteht; wir verhandeln, debattieren, kämpfen in ihren zu einem bizarren Grössenselbst aufgeblasenen Neurosen und Lebenslügen. Und dies längst nicht mehr nur, wenn wir online gehen oder nach dem Smartphone greifen.

Die Psychologie dieser Männer wird Donald Trumps zweite Amtszeit entscheidend beeinflussen. Ob es bei dieser Einhelligkeit bleibt, steht wie immer beim Team Trump auf einem anderen Blatt. Aber die Rechten des Silicon Valley haben – auch durch Trumps Vize J. D. Vance – eine Poleposition, die ihnen 2016 noch nicht zukam. Medienberichten zufolge sass Elon Musk, dem enge Kontakte zu Wladimir Putin nachgesagt werden, schon als Mithörer bei wichtigen diplomatischen Telefonaten dabei, etwa mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski.­