«Late Night Switzerland»: Der misslungene Witz

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«Wenn einer bei uns einen guten politischen Witz macht, dann sitzt halb Deutschland auf dem Sofa und nimmt übel», schrieb Kurt Tucholsky 1919. Wie viele Schweizer:innen 106 Jahre später an einem Sonntagabend im April übel nehmend auf ihren Sofas sassen, weiss ich nicht, aber 514 Personen reichten eine Beschwerde ein, nachdem sich Stefan Büsser in der SRF-Comedyshow «Late Night Switzerland» an einem satirischen Beitrag versucht hatte. Vor zwei Tagen veröffentlichte die SRG-Ombudsstelle ihren Befund: Sie «erachtet die beanstandete Sequenz der Sendung ‹Late Night Switzerland› als diskriminierend und die Menschenwürde verletzend».

In der Sendung hatte Büsser einen weitgehend unbekannten JSVP-Politiker aufs Korn genommen und dazu einen Videoausschnitt von dessen Website gezeigt, wo ihm eine kopftuchtragende Muslimin Fragen stellt. Diesen Ausschnitt kombinierte er mit einem Foto des JSVP-Präsidenten Nils Fiechter, der sich 2016 im Abstimmungskampf zum Burkaverbot nicht entblödete, als Sprengstoffattentäterin aufzutreten. Büsser kommentierte: «Unsere Rechercheabteilung konnte leider nicht verifizieren, ob diese Frau eine echte Muslima ist oder obs doch wieder der Junge-SVP-Präsident Nils Fiechter beim Demonstrieren ist.»

Anders als die «Late Night»-Rechercheabteilung wussten viele, dass es sich bei der jungen Frau um Vera Çelik, neunzehn Jahre, Muslimin und Juso-Politikerin, handelt, die ihre Fragen im Rahmen der Zürcher Jugendsession gestellt hatte und heute im Vorstand der SP im Zürcher Stadtkreis 11 sitzt. Nachdem Çelik sich öffentlich bei Büsser nicht nur wegen der ungefragten Verwendung des Videos beschwert hatte, sondern auch wegen der Verknüpfung ihrer Person mit dem Bild eines als Sprengstoffattentäterin verkleideten Politikers, erhielt sie Morddrohungen. Stefan Büsser bat Vera Çelik zwar um Entschuldigung, doch sowohl er selbst als auch die Redaktion des Senders rückten nicht davon ab, dass es hier ja um eine gegen die SVP und nicht gegen eine Muslimin gerichtete Satire gegangen sei.

Ob man sich die ins Auge springende und von der Sendung ja beabsichtigte Assoziation zwischen einer muslimischen Frau und einer (falschen) Attentäterin mit Sprengstoffgürtel nicht bewusst machen kann oder nicht will, bleibt offen. Erschreckend daran ist die Unfähigkeit, sich vorzustellen, wie es sich anfühlt, mit einem mörderischen Klischee verglichen zu werden. Ist es nicht ein bisschen so, als kombiniere man harmlose deutsche Personen grundsätzlich mit dem Hakenkreuz? Ja, eben.