Microsoft hat alle in der Hand (sogar den Bundesrat)
Ende April verkündete Microsoft vollmundig, die Daten seiner europäischen Kundschaft besser schützen zu wollen. Europas digitale Resilienz solle auch in Zeiten geopolitischer Volatilität erhalten bleiben, so der US-Techkonzern. Und falls Microsoft jemals aufgefordert werde, seine Dienste in Europa einzustellen, würden europäische Partner die betriebliche Kontinuität sicherstellen.
Parallel dazu wurde ersichtlich, was diese Zusicherungen wert sind: nichts. Microsoft sperrte die Mailkonten von Karim Khan, dem Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag, was die Arbeit des Gerichts zumindest erschwerte. Auslöser waren US-Sanktionen aufgrund der Haftbefehle, die gegen den israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu und seinen ehemaligen Verteidigungsminister Joav Gallant verhängt worden waren.
Der Fall zeigt: Im Zweifel folgt Microsoft nicht seinen eigenen Versprechen, sondern den politischen Anweisungen aus Washington. Nicht weil der Konzern das will, sondern weil er muss. Treffen kann eine Sperre oder ein behördlicher Datenzugriff zumindest theoretisch alle Kund:innen des Konzerns, zu denen auch die Bundesverwaltung und zahlreiche Behörden schweizweit zählen.
Umso interessanter ist der Auftritt von Wirtschaftsminister Guy Parmelin Anfang dieser Woche in Bern. Microsoft hatte seinen Präsidenten Brad Smith eingeflogen, um eine Investition über 400 Millionen US-Dollar in eigene KI-Rechenzentren in der Schweiz zu verkünden. Parmelin liess sich als Werbetrommler engagieren und sagte: «Mit Ihrer Initiative setzen Sie Vertrauen in die Schweiz.»
Freilich geht es dem Konzern nicht primär um Vertrauen, sondern um Business: Weil die Kritik an der Abhängigkeit von US-Techkonzernen auch hierzulande langsam lauter wird, muss Microsoft an seinem Image arbeiten und kritische Kund:innen beruhigen. Aber unter dem Strich ändert das nichts, selbst wenn der Betrag vervielfacht würde. Denn egal, wie viel Microsoft investiert: Es bleibt ein US-amerikanischer Konzern, der europäischen Kund:innen jederzeit den Stecker ziehen kann.
Der Fall Khan zeigt, was passieren kann, wenn Unternehmen oder Organisationen zu stark von US-Konzernen abhängig sind. Parmelins Auftritt signalisiert: Die Schweiz nimmt diese Warnung nicht ernst.