Urangeschosse: Das Dosimeter am Hals

Alle Schweizer Soldaten, die im Kosovo Dienst leisten, werden mit einem Strahlenmessgerät ausgerüstet – obwohl angeblich keine Gefahr besteht.

Es handle sich um eine «Präventivmassnahme», sagt Adrian Baumgartner. Zukünftig sollen alle Soldaten, die im Ausland im Einsatz sind, ein Dosimeter auf sich tragen, bestätigt der Informationschef des Kompetenzzentrums für friedensfördernde Auslandeinsätze der Schweizer Armee (Swissint) die Recherchen der WOZ. Ein Dosimeter misst die radioaktive Strahlung, der ein Mensch ausgesetzt ist. So brauchen beispielsweise ArbeiterInnen in Atomkraftwerken und Spitalpersonal Dosimeter, um ihre Strahlenbelastung zu registrieren. Auch die 214 SoldatInnen des elften Kontingents der Swisscoy, das am 6. Oktober [2004] in den Kosovo reist, haben die Dosimeter mit ihrer persönlichen Ausrüstung schon erhalten. Sie werden das Kärtchen in Kreditkartenformat um den Hals tragen.

Die Messgeräte werden im Kosovo womöglich tatsächlich ausschlagen. Während des Kosovokrieges 1999 schossen die Nato-Streitkräfte – vor allem die USA und Grossbritannien – über 30000 Urangeschosse auf serbische Stellungen ab. Abgereichertes Uran ist härter als andere Metalle. Darum wird es beim Waffenbau für schlagkräftigere Gefechtsköpfe eingesetzt.

Im Winter 2000/2001 kam es zu einer weltweiten Kontroverse um Uranmunition. Soldaten, die auf dem Balkan Dienst leisteten, erkrankten an Krebs oder litten an anderen Symptomen. In Anlehnung an das «Golfkriegssyndrom» sprach man vom «Balkansyndrom». Die Erkrankten und ihre Angehörigen gaben den uranhaltigen Waffen die Schuld. Auch in der Schweiz wurde kontrovers über das Thema diskutiert: Schweizer Rüstungsfirmen und die Armee testeten in den sechziger, siebziger und achtziger Jahren Pfeilmunition aus abgereichertem Uran. Auf der anderen Seite fordert die Aussenpolitische Kommission des Nationalrates vor drei Jahren ein internationales Verbot von Uranmunition.

Die Schweizer Armee machte sich schon früher Sorgen um ihre Swisscoy-Soldaten im Kosovo. Der Bundesrat nahm das Thema auf und veranlasste medizinische Untersuchungen bei Armeeangehörigen, die auf dem Balkan Dienst taten. Die Untersuchungen konnten damals keine gefährliche Strahlenbelastung feststellen. Die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) finanzierte 2001 eine Studie des Uno-Umweltprogrammes (Unep), an dem auch das Labor Spiez beteiligt war. Die Studie kam zum Schluss, dass ausserhalb der Einschussgebiete keine erhöhte Strahlungsgefahr bestehe. Dennoch warnen die Unep-Studien – letztes Jahr wurde auch eine über die Situation im Irak erstellt – vor den negativen Effekten der Uranmunition. Der giftige Uranstaub könne in der Nähe von zerstörten Panzern eingeatmet werden. Kinder könnten die Fragmente und Splitter der Urangeschosse einsammeln und sich verstrahlen. Und durch Erosion könne der Uranstaub ins Grundwasser gelangen.

Doch der Bundesrat will sich international nicht für ein Verbot dieser Waffen einsetzen. Diese Haltung bestätigte Aussenministerin Micheline Calmy-Rey letzten Frühling. Es gebe keine Bestimmung im internationalen Völkerrecht, die den Einsatz von Uranmunition verbiete oder einschränke, sagte sie sinngemäss vor dem Nationalrat.

Die Armee aber traut der Sache anscheinend nicht ganz und will ihre Soldaten auf Auslandeinsätzen vor radioaktiven Strahlungen schützen. «Das sind wir unseren Leuten schuldig», sagt Swissint-Informationschef Baumgartner.