Das Wahlresultat 2023 lässt sich weit mehr mental als politisch deuten: Die Schweiz will bloss nichts mit der Welt zu tun haben. Gegen den erstarkten Nationalismus braucht es jetzt ein Bündnis von links bis in die Mitte.
Von Kaspar Surber
Foto: Caroline Minjolle
Wohin bewegt sich die Schweiz an diesem Wahlsonntag? Die Antwort fällt noch deutlicher aus, als es die Umfragen befürchten liessen. Sie versammelt sich in krisenhaften Zeiten noch immer am liebsten im Igelpavillon. An der Landesausstellung 1964, auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges, wurde der Bau der Armee mit seinen Stacheln zum Symbol für ein Land, das nichts von der Welt wissen will. Es passt zum heutigen Resultat: Die Schweiz igelt sich wieder einmal ein. Welt, bleib draussen!
Die SVP hat im Wahlkampf alles auf die Karte Zuwanderung gesetzt – und überdeutlich gewonnen. Auf die komplexen Fragen einer krisengeschüttelten Gegenwart haben die Rechtspopulist:innen allerdings keine Antworten.
Von Anna Jikhareva
Foto: Caroline Minjolle
Die Feststellung ist banal, aber ernüchternd. Negativschlagzeilen schaden der SVP für gewöhnlich nicht – im Gegenteil: je umstrittener, desto erfolgreicher. Das hat sich auch diesmal gezeigt.
Balthasar Glättli wollte seine Grüne Partei in den Bundesrat bringen. Doch statt ins Establishment führt er seine Partei in die Sinnkrise.
Von Renato Beck
Foto: Caroline Minjolle
Die grüne Gleichung geht nicht mehr auf: Wenn sich die Leute ums Klima sorgen, dann wählen sie die Grüne Partei. 2019 hat die Partei um sechs auf über dreizehn Prozentpunkte zugelegt, nun erleidet sie einen Absturz auf unter zehn Prozent. Von ihren 28 Sitzen verliert sie 5 Sitze. Und das, obwohl die Klimaerhitzung im Sorgenbarometer der Bewohner:innen der Schweiz weit oben steht. Woher kommt diese Diskrepanz? Ist es so, wie Fraktionschefin Aline Trede vermutet, als sie im SRF nach Erklärungen für die Wahlniederlage suchte: dass die anderen Parteien die Klimakrise mittlerweile auch für sich entdeckt haben? Oder ist es doch so, dass man seine Klimasorgen bei den Grünen mittlerweile nicht mehr besonderes gut aufgehoben sieht?
Trotz leichter Zugewinne der SP: Mit dem neu gewählten Parlament wird die Schweiz noch unsozialer.
Von Andreas Fagetti
Foto: Caroline Minjolle
Eben musste die hiesige Bevölkerung einen Prämienhammer verdauen; ausgehend von einem ohnehin hohen Niveau steigen die Krankenkassenprämien 2024 durchschnittlich um 8,7 Prozent. Und auch die Mieten werden voraussichtlich noch einmal steigen. Im Juni stieg der Referenzzinsatz von 1,25 auf 1,5 Prozent, bis Ende nächsten Jahres soll er gar auf 2 Prozent angehoben werden. Parallel dazu werden die Haushalte weiterhin mit hohen Konsumpreisen belastet sein, auch wenn sich die Inflation zuletzt leicht abgeschwächt hat.
Die als «Geld-und-Gülle-Allianz» verspottete Koalition zwischen Bauernverband und Economiesuisse funktioniert elektoral. Das Kapital freuts.
Von Daria Wild
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Anruf am Freitag bei Bauernkönig Markus Ritter. Ritter ist gut gelaunt, zuversichtlich, sein Programm am Wochenende sei «dicht gedrängt». Ritter hatte Grosses vor, der Bauernverbandspräsident und Mitte-Nationalrat hatte vor den Wahlen angekündigt, zwölf zusätzliche National- und drei zusätzliche Ständerät:innen aus dem ländlichen Raum ins Parlament bringen zu wollen; die Wahlkampfkasse war gut gefüllt, und die «Bauernzeitung» veröffentlichte über 200 bezahlte Kandidierendenporträts auf ihrer Website.