Wie es ist, wenn einer das Bauern aufgeben muss: 10 000 Franken zum Dritten!

Schöne Kuh, garantiert trächtig ... Wer macht ein Angebot? Eindrücke von einer Gant im Freiburger Sensebezirk.

Wegen Aufgabe der Landwirtschaft aus Altersgründen bei Familie Kurt Salvisberg-Glauser, Tützenberg, 3185 Schmitten, gesamter Vieh- und versch. Fahrhabe, freiwillig und öffentlich gegen Barzahlung». So lautet das Inserat im «Schweizer Bauer», das zur Versteigerung einlädt. Tützenberg ist ein kleiner Weiler im Freiburger Sensebezirk, von der Strasse Bern-Freiburg ab Richtung Schwarzsee. Als Erstes sieht man den grossen, gut besetzten Parkplatz auf einem Feld. Die Bise zieht schauderhaft kalt über das Land, die Leute sind warm angezogen. Seit kurz nach neun ist der Gantrufer an diesem Samstag im März dabei, den Maschinenpark der Familie Salvisberg zu versteigern.

Dazu gehören ein Fiat-Traktor, ein Motormäher, ein Kreiselmäher, ein Grossballenlader, ein elektrischer Milchkühltank à 580 Liter und eine Hobelmaschine. Gantrufer Oswald Sturny bringt die Ware zügig an den Mann. «5000 Franken, wer bietet mehr – und 7000 Franken sind geboten – und wer bietet mehr?» Er wirft einen Blick in die Runde – wo hebt sich eine Hand? Wo sagt jemand etwas in seine Richtung? War das ein Angebot oder nur ein blöder Spruch? «... und 10 000 Franken zum Ersten, zum Zweiten – und zum Dritten. Wünsche viel Glück.» Ein Assistent holt beim Ersteigerer die Personalien ein – bezahlt wird der Traktor bar an der Kasse.

Oswald Sturny ist ein Mann mittleren Alters mit Schnurrbart und Dächlikappe, einer dicken Jacke und roten Fingerhandschuhen. Er übt das Amt des Gantrufers nebenamtlich schon seit dreizehn Jahren aus. Im Hauptamt ist er Weibel beim Betreibungsamt. «Im Kanton Freiburg sind die Gantrufer vereidigt und dürfen daher ihre Arbeit auch ohne notarielle Aufsicht erledigen», sagt Sturny. Er macht alle Arten von Steigerungen und Liquidationen. Es sei nicht zwingend, dass eine Hofaufgabe zu einer öffentlichen Versteigerung führe, man könne Tiere und Fahrhabe auch im Laufe der Zeit abstossen. Das sei aber tendenziell mühsamer, weil man selber Schätzungen vornehmen und sich aktiv um KäuferInnen bemühen müsse. «Eine Versteigerung hat den Vorteil, dass die Preise vor Ort gemacht werden.» Arbeit verursache aber das eine wie das andere.

Am Schluss des Vormittags – er hätte es fast vergessen – wird auch noch der Brückenwagen, von dem aus der Gantrufer agiert, versteigert. «Gute Qualität der Armee, wer macht ein Angebot?» Der Wagen geht schliesslich für ein paar hundert Franken weg. Neuwertige Maschinen liessen sich gut versteigern, sagt Sturny, für älteres Material sei hingegen nicht mehr allzu viel zu bekommen.

Bauer Kurt Salvisberg steht auf dem Hofplatz. Leute scharen sich um ihn, wechseln ein paar Worte, wollen etwas wissen. Er müsse den Hof aus Altersgründen aufgeben, sagt er, weil es ab 65 Jahren keine Direktzahlungen mehr gebe. Und ohne Direktzahlungen kann auch dieser Hof nicht überleben. Keine der vier Töchter wollte den Hof übernehmen. So muss er sich ins Unvermeidliche schicken. Das Land – rund zehn Hektaren – wird er an seine Nachbarn verpachten. Nur den Pouletmastbetrieb führt er selber weiter.

Gutes Fundament – vier schöne Striche

Gestärkt durch Züpfe und Hamme strömen die Besucher – und einige wenige Besucherinnen – der Gant nach dem Mittagessen aus der für die Festwirtschaft leer geräumten Poulethalle auf eine Weide hinter dem Haus. Auf einem mit Strohballen umrandeten Areal wird nun der gesamte Viehbestand von 1) Elko bis 26) Hanna vorgeführt und versteigert. Draussen vor dem Ring wartet jeweils schon die nächste Kuh darauf, präsentiert zu werden. Manch eine nutzt den Gang vom Stall und zurück zu ein paar unberechenbaren Sprüngen.

Oswald Sturny – das Mikrofon mit Antenne aufgesteckt – macht wieder die Ansage: Die Spielregeln der Steigerung, die Organisation des Transports, der Zahlungsmodus. Er schwärmt vom guten Viehbestand, der hier zur Versteigerung komme, von den Zuchterfolgen und von den guten genetischen Eigenschaften. Und wiederholt alles noch auf Französisch.

Dann bittet er einen ausgewiesenen Fachmann von der Viehzuchtgenossenschaft, die einzelnen Kühe zu präsentieren. Das tönt etwa so: «Nummer sechs ist die Riga, sie ist dreijährig, der Vater ist der Pickel, Mutter ist die Lama. Sie hat ein Kalb geboren am 9. Oktober 2002 und ist besamt worden am 16. Dezember vom Stier Petalstone. Sie ist garantiert trächtig. Sie gab beim letzten Wägen am 4. Februar 21,9 kg Milch, die Milch hat einen Fettgehalt von 4,2. Sie ist hoch gebaut, hat ein gutes Fundament (Beine) und ein schönes Euter mit vier geraden Strichen (Zitzen). Fertig.» Aus diesen prosaischen Daten macht der Gantrufer seine Ansage. «Schöne Kuh ... garantiert trächtig ... vom Pickel, dem berühmten Stier ...Wer macht ein Angebot?»

Die Kühe, die die Familie Salvisberg an diesem Tag versteigern lässt, werden schon am Abend bei einem anderen Bauer oder bei einem Viehhändler im Stall stehen. Einem, der vierzig Jahre gezüchtet hat und der sich rühmt, ein erfolgreicher Züchter gewesen zu sein, dem bricht es fast das Herz. Dass er seine Kühe verkaufen muss, ist aber nicht nur ein tiefer Einschnitt im Leben von Bauer Salvisberg – es ist zum heutigen Zeitpunkt auch ein schlechtes Geschäft. Die Preise sind in den letzten Jahren zusammengebrochen – eine Kuh hat heute vielleicht noch einen Drittel ihres früheren Wertes.

Langsam steigt die Bieterlaune

Die ersten Kühe können das Publikum noch nicht begeistern. Bei 1800 Franken will der Gantrufer einsteigen – eisernes Schweigen. Schliesslich bietet einer 1500 Franken an. Mit zwei, drei Angeboten ist man wieder auf 1800, aber dann harzt es wieder. Bei 2000 Franken ist auch schon Schluss. Ab und zu nimmt sich der Gantrufer einen potenziellen Kunden persönlich vor: «Fünfzig Franken mehr, willst du nicht bieten?» Schweigen ... «Der hat die Mütze so tief ins Gesicht gezogen, damit er mich nicht anschauen muss.» Und dann ist er wieder Herr der Runde – und macht den Zuschlag. Zwischendurch wird Sturny ein Kafi fertig gereicht, wegen der Kälte, aber auch, weil ihm der Hals trocken wird – was nicht zu überhören ist.

Erst nach fünf, sechs Kühen steigt die Bieterlaune. Eine dreijährige Kuh bringt 3000 Franken. Man bietet mit knappen Handzeichen oder mit kurzen Worten. Der Gantrufer fragt nach, bisweilen wird ein kurzes Zwiegespräch draus – das alle anderen mithören. Dann wendet er sich wieder an alle Leute am Ring, fährt mit weit ausgestrecktem Arm über sie hinweg. Ja, die Gant läuft ...

Später wird Sturny zu hören bekommen, dass die Preise vergleichsweise hoch gewesen seien. Das spricht natürlich für den guten Tierbestand. Die Aufwendungen für den Gantrufer setzen sich zusammen aus den Vorbereitungskosten der Gant sowie einem Betrag für die eigentliche Versteigerung. Dieser, so Sturny, könne fest vereinbart sein oder auch einen prozentuellen Umsatzanteil ausmachen. Für die Bauernfamilie Salvisberg bleibt an diesem Tag eine schöne fünfstellige Summe übrig.

Das Milchkontingent fällt

Die Agrarpolitik 2007 (AP 2007) beschäftigt diese Woche den Nationalrat. Im Mittelpunkt steht der Kreditrahmen von vierzehn Milliarden Franken für die kommenden vier Jahre. Zum grössten Teil handelt es sich dabei um Direktzahlungen für gemeinwirtschaftliche Leistungen wie die Pflege des Landschaftsbildes und die Sicherstellung der dezentralen Besiedelung. Marktstützende Beiträge sollen hingegen mittelfristig abgeschafft werden. So soll die Milchkontingentierung nur noch bis 2009 gelten. Danach würden die Bauern die Preise mit den Abnehmern selber aushandeln. Schon heute ist klar, dass der Preis für einen Liter Milch – und damit der Lohn der Bauern – massiv unter Druck gerät. Nur wer sehr kostengünstig produzieren kann, wird die Milchproduktion überhaupt noch in Betracht ziehen. Für viele kleine und mittlere Betriebe vor allem in der Hügelzone wird es eng. Aber auch grosse Höfe kämpfen ums Überleben. Die Zahl von 70 000 Betrieben wird weiter abnehmen. Allerdings hat das Bauernsterben der letzten Jahre den übrig gebliebenen Höfen das Wirtschaften nicht erleichtert. Das bäuerliche Einkommen sinkt immer noch, die Abhängigkeit von Zusatzverdiensten steigt.