Wacht mal auf

Ich bin definitiv nicht aus eurer Bubble. Ihr hängt im Zentrum der Stadt, im «Partygewimmel», und chillt nachts um zwei an der Limmat. Meine Homies und ich hängen eher so an den Rändern, Grünau, Lindenplatz, Bahnhof Altstetten – wart ihr da schon mal? Ich meine, wenns dunkel ist.

Hab diesen Text gelesen im «Magazin» von Tamedia, wo ihr euren Grannys erklären wollt, «was woke sein wirklich bedeutet». Krass, wie das abgeht in eurem Kopf. Ihr macht euch ja voll viel Gedanken. Aber dass ihr euch so abziehen lasst von diesen «Magazin»-Journis. Schon klar, die haben euch den Teppich ausgerollt. Besser gesagt, das Papier. Auf Insta oder Snap wärs ja auch voll am Zielpublikum vorbeigezischt. Von Ü30ern für Ü30er: «Unsere Jugend». Scheisse, voll vereinnahmt, und das schon, bevor ihr eure Geschichte erzählen dürft. So nehmen sie den Diskriminierten sogar noch das Diskriminiertwerden weg. Ist euch das auch durch den Kopf? Ich wette, ihr bereut, dass ihr die überhaupt in euren Kopf gelassen habt. «Was es heute bedeutet, jung zu sein» steht auf dem Cover. Bro?

Hat mich geflasht, was ihr erzählt habt, von diesem Mann, der sich zu euch gesetzt hat, damals, um zwei an der Limmat, «dunkle Haare, dunkle Haut, einen Style, der einen anderen kulturellen Hintergrund markierte», und ihr habt eure Handys und eure Kohle eingepackt und ihm gesagt, er soll sich verpissen. Und nachher habt ihr euch tagelang mit eurem rassistischen Verhalten beschäftigt. Ehrenvoll, Bro. Aber warum sagst du, «Leute wie er» lebten «nicht als Menschen, die auch nachts umherziehen», unter uns? Bro, meine Homies und ich tun genau das. Auch wir rauchen Joints. Nicht an der Limmat, wir kiffen in Tiefgaragen und Stützli-WCs. Nachts kommen die Bullen, Ausweiskontrolle am Lindenplatz, am Bahnhof Altstetten, und immer schön freundlich bleiben.

Ihr sagt zum Schluss, ihr wollt «die Zügel in die Hand nehmen». Ehrensache. Ihr klärt die Alten über ihren Rassismus auf. Wir galoppieren dann schon mal los.

Nachdem das «Magazin» von Tamedia behauptet, mit dem aufgezeichneten Innenleben von vier jungen Akademiker:innen «eine Art Aufklärungsfibel für uns ältere Menschen» zu liefern, hat sich Qualle Aurelia in das Hirn eines jungen Menschen gewagt, der ebenso woke ist, aber anders.