Keine Geschäfte mit den Mullahs

Zum Einstieg ein paar Zahlen, weil Zahlen oft mehr sagen als tausend Worte: Über 300 Menschen wurden seit Beginn der Proteste im Iran Mitte September ermordet. Mehr als 14'000 hat das Regime laut Menschenrechtsorganisationen festgenommen (Oppositionelle sprechen sogar von 25'000 Verhaftungen, und während ich diesen Text tippe, steigt die Zahl stetig). Über 2000 De­monstrant­:in­nen will die Justiz vor Gericht bringen. Vielen von ihnen droht die Todesstrafe. Über 40 Jour­na­list:in­nen wurden verhaftet.

Allein diese Fakten sollten anständigen Regierungen genügen, um jegliche Geschäfte mit diesem verbrecherischen Regime, das seit über vierzig Jahren an der Macht ist, abzubrechen. Doch was tut die offizielle Schweiz? Während die Europäische Union Sanktionen gegen die iranische Sittenpolizei und mehr als ein Dutzend weitere Personen und Organisationen verhängt hat, tut die Schweiz, was sie am besten kann: lavieren und weiter geschäften. «Innen- und aussenpolitische Interessen der Schweiz» gingen vor, schrieb der Bundesrat letzte Woche.

«Keine Geschäfte mit den Mullahs» war eine der häufig skandierten Forderungen an der nationalen Solidaritätskundgebung für die Protestierenden im Iran am letzten Samstag, zu der die Organisation Free Iran Switzerland aufgerufen hatte. Fast 4000 Menschen versammelten sich auf dem Bundesplatz in Bern, die Stimmung war hoffnungsvoll und kämpferisch, aber auch verzweifelt und wütend gegenüber der offiziellen Schweiz. Denn während die Schweiz weiterhin Geschäfte mit den Mullahs macht und unkompliziert Visa für iranische Beamte vergibt, fürchten mittlerweile viele hier in der Schweiz lebende Ira­ner:in­nen um ihre Sicherheit. Dass die offizielle Schweiz sie im Zweifelsfall schützt, daran glauben sie nicht mehr.

Deshalb, liebe Bun­des­rät:in­nen und liebe Par­la­men­tarier:in­nen, sei hier nochmals daran erinnert, was die Neutralität, auf die ihr euch bei Entscheiden gegen Sanktionen gerne bezieht, eigentlich bedeutet. Nämlich nicht geschäften mit Diktatoren, sondern: «Sie [die Neutralität] trägt bei zum Frieden und zur Sicherheit in Europa und jenseits der Grenzen Europas», so steht es auf der Website des Eidgenössischen Departements des Äussern. Höchste Zeit, dass die Politik ihre Taten an ihren eigenen Worten misst.
Fakten, Fakten, Fakten: Der Oberleguan rückt im «Zoo» auf woz.ch regelmässig die Dinge zurecht.