Krypto: Neue Hochstapler gesucht
Sehr viele Menschen auf der ganzen Welt wurden letzte Woche um sehr viel Geld gebracht, und nicht wenige auch um ihre Träume: Sie haben keinen Zugriff mehr auf die digitalen Währungen, die sie auf der Kryptohandelsplattform FTX parkiert hatten. Am Freitag meldete das Unternehmen mit seinen über 130 Unterfirmen Insolvenz an, und nun sind gemäss «Financial Times» nur 900 Millionen US-Dollar an flüssigen Vermögenswerten da, um Verbindlichkeiten von 9 Milliarden zu decken.
Dabei hatte FTX – gegründet 2019, Hauptsitz seit letztem Jahr auf den steuergünstigen Bahamas – als eine der stabilsten und verlässlichsten Kryptobörsen gegolten. Das sind zentralisierte Plattformen, auf denen sich digitale Währungen herumschieben lassen, um auf fallende und steigende Wertkurven zu spekulieren. Die Firma zog Unmengen an Risikokapital an und investierte breitspurig in diverse Start-ups; ihr Logo zierte unter anderem den Hut von Formel-1-Star Lewis Hamilton. Als dann Anfang November Zweifel an der Zahlungsfähigkeit von FTX aufkamen, begannen die Kund:innen, ihr Geld abzuziehen. Innert weniger Tage folgte der Bankrott.
In einem Jahr der fallenden Kurse und implodierender Ökosysteme fällt damit eine weitere schöne Kryptogeschichte ganz einfach in sich zusammen. Und es purzelt ein weiteres Techwunderkind von seinem Thron: Sam Bankman-Fried, dreissigjähriger Unternehmer aus Kalifornien, Gründer und CEO von FTX. Techbranchengemäss kauzig im Auftritt, hatte er laut Selbstdarstellung eine eherne Mission: «earn to give». Er wolle schlicht so viel Geld wie möglich machen, um es dann sinnvoll zu investieren: gegen den Klimawandel und Tropenkrankheiten, für das Tierwohl. Den Kryptomarkt wollte er regulieren lassen, er spendete Geld an die Demokratische Partei. Nun stellt sich heraus, dass auch er ein ganz gewöhnlicher Kryptoblender ist, der mit dem Vermögen von Kund:innen spekulierte, Bilanzen schönte und am Ende vom Firmenvermögen womöglich noch in die eigene Tasche schleuste, was möglich war.
Erstaunlich, dass darüber jemand ernsthaft erstaunt ist. Wem sich die Kryptobruderschaften dieser Welt wohl als Nächstes in die Arme werfen werden, um sich das Blaue vom Himmel heruntererzählen zu lassen?
Fakten, Fakten, Fakten: Der Oberleguan rückt im «Zoo» auf woz.ch regelmässig die Dinge zurecht.
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