Tag X ist da

Brennende Barrikaden, fliegende Flaschen, Hundertschaften der Polizei, die sich in Stellung gebracht haben, um den fossilen Kapitalismus gegen einen utopischen Gegenentwurf durchzusetzen. Im besetzten Weiler Lützerath in Nordrhein-Westfalen hat diese Woche der Polizeieinsatz zur Räumung begonnen. In den Worten der Ak­ti­vist:innen: Der Tag X ist da.

Eigentlich ist es dafür noch zu früh. Die Räumung sollte erst nach dem 14. Januar beginnen. Die Behörden sprechen denn auch erst von Vorbereitungsarbeiten. Wortakrobatik. Der Übergang zwischen Vorbereitung und Räumung ist offensichtlich fliessend. Was zählt, ist, dass die Polizei seit Montag vor Ort ist und erste Barrikaden zerstört hat.

Im direkt nebenan liegenden Kohletagebau Garzweiler II hat der Energiekonzern RWE Power AG als Drohgebärde seinen riesigen Bagger direkt vor «Lützis» Dorfeingang gestellt. Lützerath soll dem Tagebau bald einverleibt werden, mit der darunter liegenden Kohle soll Strom produziert werden. Als wäre die Verheizung dieser Kohle nicht nachweislich unvereinbar mit den Klimazielen Deutschlands; als würde der daraus resultierende Millionenprofit von RWE nicht zulasten all derjenigen gehen, die schon heute akut bedroht sind, wegen der Klimakatastrophe ihre Lebensgrundlage zu verlieren. Nichts daran ist friedlich.

Trotzdem bemühen sich die Verantwortlichen verzweifelt um eine freundliche Miene. Etwa der zuständige Polizeipräsident Dirk Weinspach, der noch im Dezember in einem Brief beteuerte, dass die Polizei bei der Räumung auf «Deeskalation und Transparenz» setzen wolle. Auch er teile aber «die Sorge um die Erderwärmung». Weinspach ist übrigens Mitglied der Grünen. So wie auch Mona Neubaur, die Energieministerin von Nordrhein-Westfalen. Und Robert Habeck, der zuständige «Klimaschutzminister» auf Bundesebene.

Die freundliche Miene wird sich schon noch zur Grimasse verzerren. Noch bis am 9. Januar kann Lützi sicher zu Fuss erreicht werden. Die Mobilisierung läuft auf Hochtouren. Den Hundertschaften der Polizei werden sich Hunderte Aktivist:innen gegenüberstellen.
Mona Molotov ist die meinungsstärkste Möwe des Landes. Sie schreibt regelmässig im «Zoo» auf woz.ch.