Sepp und die Neutralität

Heute jährt sich der Beginn des Angriffs Russlands auf die Ukraine, der unermessliches Leid über das Land und seine Bevölkerung bringt. Und was tut die Schweiz seither? Sie diskutiert über ihr immerwährendes Lieblingsthema: die Neutralität, die angeblich schon mit der Niederlage der alten Eidgenossen bei Marignano 1515 begann. Stets kann die Schweiz dabei so tun, als beschäftige sie sich durchaus mit der Welt – obwohl sie doch nur auf sich selbst schaut.

Nichts zeigt das so gut wie die nach Kriegsbeginn lancierte SVP-Initiative, mit der die Neutralität nun als immerwährend in die Verfassung geschrieben werden soll. Der hauptsächliche Zweck der Initiative liegt darin, zu verhindern, dass die Schweiz wirtschaftliche Sanktionen unterstützt, wie sie das im Krieg gegen die Ukraine nach anfänglichem Zögern doch noch tat.

Besucht man die Website der Initiative, staunt man gleich doppelt.  Zum einen verwendet die SVP als Symbol neuerdings eine Friedenstaube. Zum anderen sucht man Christoph Blocher, der den Initiativtext verfasst hat, vergeblich im Komitee. Dafür habe ich dort Sepp Blatter entdeckt.

Wir erinnern uns: Auch Blatter gehörte zu den Prominenten, die Putins Regime jahrelang hofiert hatten. Unter seiner Fifa-Präsidentschaft wurde die Weltmeisterschaft 2018 nach Russland vergeben, ein Foto bei der Auslosung 2015 in St. Petersburg zeigt ihn beim warmen Händedruck mit Wladimir Putin. 

Auf persönliche Einladung des Kremlherrschers durfte er schliesslich einem Spiel in Moskau beiwohnen, obwohl er damals wegen Korruptionsvorwürfen bereits als Fifa-Präsident suspendiert war. Sein Demokratieverständnis, das Blatter in einem Interview mit dem russischen Propagandasender Russia Today zum Ausdruck brachte, dürfte Putin gefallen haben: «Ich bin immer noch Präsident, aber eben suspendiert.»

Ausgerechnet Blatter Sepp also, dessen Fifa als steuerbegünstigter Verein ein Milliardenvermögen umsetzte, der immer wieder der Korruption bezichtigt wurde und sich mit Autokraten wie Putin einliess, unterstützt also die SVP-Neutralitätsinitiative. Einen besseren Beweis für ihren wahren Gehalt müsste man erst erfinden.

Mona Molotov ist die meinungsstärkste Möwe des Landes. Sie schreibt regelmässig im «Zoo» auf woz.ch.