Alain Berset: Ich habs satt!
Je suis le président! Aber das heisst ja nicht viel in unserem Land, ich bin bloss le président de la Confédération. Bundespräsident ist nun mal kein richtiger Präsident. Emmanuel hats da besser – na ja, im Moment wohl nicht.
Ehrlich: Der Job hängt mir zum Hals raus. Die Kosten-Nutzen-Rechnung stimmt nicht mehr. Man kann nichts sagen – sonst ist gleich ist wieder der Teufel los. Diese Geschichte mit der «frénésie guerrière» ist ja eine einzige Katastrophe. Ich spreche gut Deutsch, aber ich bin auch in einem ständigen Lernprozess. Da schaue ich mir natürlich auch was bei Kollegen ab, die mit der deutschen Sprache umgehen können. Köppel ist zwar ein Wirrkopf, aber sein Deutsch ist brillant. Der hat ja das mit dem Kriegsrausch aufgebracht – ich dachte, die Übersetzung ist perfekt. Aber da ging das Geheule aus allen Ecken los: Krigsrauusch, Krigsrauusch …
Wen ich mit «gewisse Kreise» meine? Na, es ist ja schon auffällig, wie die ganzen Pazifisten plötzlich nach Waffen schreien, oder? Es erinnert mich an den Beginn des Ersten Weltkriegs. Damals meinte man, die Spannungen und Frustrationen könnten sich nur in einem Krieg entladen – und viele Leute waren von dieser Vorstellung begeistert. Da muss man ja jetzt nur Viola hören, wie sie vor ihren Offizieren spricht und unbedingt will, dass die Wiederausfuhr erlaubt wird. Der sitzen die Rüstungsbetriebe im Nacken. Kaum ist der Querschläger-Ueli weg, kommt Viola und scheisst aufs Kollegialitätsprinzip.
Aber wir sind neutral! Das ist nicht einfach eine Phrase. Es geht um ein Bekenntnis zum humanitären Recht und zu den Menschenrechten. Dass wir im Zweiten Weltkrieg Waffen an Deutschland geliefert haben, wird uns ja immer noch vorgeworfen – da kann man doch jetzt nicht alle Prinzipien über Bord werfen und an die Ukraine liefern. Unsere Guten Dienste sind auch gut für Verhandlungen mit Putin! Genau deshalb habe ich ja den Mullahs im Iran zum 44. Geburtstag gratuliert. So ein paar Glückwünsche schaffen eine nette Atmosphäre, in der man mit denen sicher auch mal über ihre Schreckensherrschaft reden kann. Natürlich, ohne dabei konkret zu werden.
Wirklich – ich habs satt! Ich will endlich Zeit fürs Fliegen, für Theater und Kunst haben, ohne dass mir so ein Bünzli ständig dreinschwätzt. Und wenn ich mich mit Frauen treffe, will ich erst recht meine Ruhe.
Alain Berset (SP) steht als Bundesrat seit 2012 dem Eidgenössischen Departement des Inneren vor, aktuell amtet er als Bundespräsident. Für die Qualle Aurelia war es nicht ganz einfach, seinen Gedanken zu folgen, weil er auch sich selbst gegenüber zu Konfliktärem gern schweigt.