Gratisprosecco in der verbotenen Stadt

Eine gute Party lässt sich nicht so einfach am Schreibtisch entwerfen. Eine gute Party entsteht auf Linkedin. Letztes Wochenende ging in Basel das «Basso» auf. Das «Basso» kann alles: «Beiz/Bar/Beats». Es gibt dort «Bites» statt Essen, und den Koch ein bisschen bei der Arbeit zu unterstützen nennt man im «Basso»: Kitchenclub. Das ist alles in der Kommentarspalte auf Linkedin nachlesbar. «Very inspiring, hope to be there soon!» Thank you, André, und auch wenn du ein Business Analyst aus Singapur bist und hier nur reinkommentierst, weil du irgendwo anders auf Linkedin gelesen hast, dass solche Kommentare Traffic auf deinem Profil generieren können: I would love to have you with us, André!

Strömender Regen an der Eröffnung. Kalter Wind bläst die Flut in den Beiz/Beats-Bereich. Das «Basso» hat sich im Novartis Campus eingemietet, was lange die verbotene Stadt der Basler Pharmaindustrie war. Zugang nur mit Badge, tausend Kameras rund ums Areal. Aber wer drin war, konnte sich die Haare schneiden lassen, im Laden einkaufen, Fitness machen und in Restaurants essen, wo auf der Karte jedes Gericht bis auf die letzte Kalorie ausgezählt war.

Letzten Herbst hat Novartis das Areal für die gemeine Bevölkerung geöffnet und dort, wo einmal ein Sushi-Restaurant war am Rheinbord, ist jetzt eben das Basso. Ein Klangkünstler mit Kontrabass hat zur Eröffnung tibetische Lautsprecher aufgestellt, und ein riesiger Plattenspieler macht unangenehme Geräusche. Der wilde Noise verbündet sich mit dem peitschenden Regen. Derweil strömen aus den Sicherheitsschleusen, die das «Basso» mit dem Inneren des Campus verbinden, beige Trenchcoats und Hosenanzüge in die Bar. Corporate Casual – André, are you there?

Mittlerweile haben sich die Grössen der Basler Alternativkultur und Zwischennutzungsszene eingefunden, die noch die bessere Spürnase haben als der schärfste Lurker, wenn irgendwo Beute winkt. Auch das «Basso» wird von Leuten betrieben, die mal ganz klein anfingen, in einem Schuppen, und sich dann über eine Industriebrache hochgearbeitet haben. Jetzt, wo jeder Flecken der Stadt zwischengenutzt und kommerzialisiert worden ist, wo in ausgemusterten Tramhaltestellen Negronis serviert werden, die «Frankie’s Dark Dream» heissen, amalgamiert nun also die Alternativkultur mit dem ganz grossen Kapital.

Alles ist verwirrend im «Basso». Die Hosenanzüge drängen in die Party. Pitschnasse Clubber:innen tanzen im Regen. Wer gentrifiziert hier eigentlich wen? Hat nun Novartis die Alternativkultur akquiriert oder ist es genau umgekehrt? Hier stimmt nichts, aber vielleicht passt auch alles, und hier kommt zusammen, was schon immer zueinander wollte. Als mir der Barmann signalisiert, dass das für mich jetzt der letzte Gratisprosecco war, verlasse ich diesen Ort. Und schreibe später auf Linkedin: «Amazing experience, thank you guys, love you Novartis!»

Präziser beobachtet keiner: Der Wolf Lonely Lurker schleicht im «Zoo» auf woz.ch jeder Fährte nach.