Gene Hackman (1930–2025): Der Uncoole

Nr. 10 –

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Für die Rolle, die ihm zum Durchbruch verhalf, war er circa die elfte Wahl. Steve McQueen, Paul Newman, Lee Marvin und andere mussten erst ablehnen, bevor Gene Hackman 1971 in «The French Connection» zum Zug kam. Für den Vierzigjährigen war der getriebene, latent korrupte, gewalttätige und rassistische Cop «Popeye» Doyle die erste Hauptrolle. Nichts an seiner Darstellung wirkte sympathisch oder cool – gerade deshalb war sie massgeblich für das «New Hollywood»-Kino der Siebziger.

Auch für Hackmans Karriere sollte sie symptomatisch sein. Sowohl sein Äusseres, das ihn schon am Anfang seiner Karriere wirken lässt, als habe er seine besten Tage hinter sich, wie auch seine Manierismen machen den dauerschwitzenden und -gestressten Hackman nicht zu einem Star, dem man nacheifert, sondern zu einem, den man zu kennen glaubt. Eine Art Vertrautheit des Unattraktiven, bedrohlich und beruhigend zugleich. Die Paranoia, die mit der aufkommenden Überwachungstechnologie damals um sich greift, repräsentiert keine Figur besser als Harry Caul, der Abhörspezialist aus Francis Ford Coppolas «The Conversation» (1974). Auch das liegt wieder zu grossen Teilen an Hackman, der wie kaum ein anderer den Typus jener überforderten Männlichkeit verkörpert, die ständig kurz vor dem Gewaltausbruch zu stehen scheint.

Mit der Zeit verschiebt sich die physische Gewalt hin zu ihrer abstrakten Form: der Ausübung von Macht. Auch diese Macht ist bei Hackman nie bloss behauptet, sondern wird in seinem ganzen schauspielerischen Ausdruck spürbar. Bestes Beispiel: der pragmatisch-sadistische Sheriff Little Bill, der in Clint Eastwoods Spätwestern «Unforgiven» (1992) mit allen Mitteln den Frieden durchzusetzen weiss.

Diese nie gekünstelt wirkende Ausstrahlung, kombiniert mit Schlitzohrigkeit, macht Hackman dann auch zum idealen Gefäss für eine Art Selbstkritik dieser patriarchalen Gewalt: sei es als stockkonservativer Senator, der in «The Birdcage» (1996) auf das schwule Elternpaar seines künftigen Schwiegersohns trifft, oder – in seiner letzten grossen Rolle in «The Royal Tenenbaums» (2001) – als abwesender Vater und mutmasslicher Ursprung aller melancholischen Neurosen seiner Kinder.

Vergangene Woche, knapp einen Monat nach seinem 95. Geburtstag, wurde Gene Hackman zusammen mit seiner Frau, der Musikerin Betsy Arakawa, unter noch ungeklärten Umständen tot auf seinem Anwesen in New Mexico gefunden.