Solothurner Literaturtage: Neue Abgänge und alte Probleme
Die Ankündigung kam überraschend: Nachdem die 46. Ausgabe der Solothurner Literaturtage erfolgreich über die Bühne gegangen ist, treten die Kogeschäftsführer:innen Nathalie Widmer und Rico Engesser zurück. Sie seien «zu verschieden» für eine längerfristige Koleitung, werden sie in der letzten Samstag vom Vorstand verschickten Pressemitteilung zitiert. «Wir finden es sehr schade, dass die beiden nicht weitermachen, sie haben diese zwei Jahre sehr gute Arbeit geleistet», sagt Thomas Flückiger, Präsident des Vereins Solothurner Literaturtage, und betont, man habe sich bemüht, die Situation wieder ins Lot zu bringen, sobald man im Vorstand vom Konflikt erfahren habe. «Es hat ein Coaching gegeben, von dem wir uns versprochen haben, dass es die Leitung wieder zusammenbringt.»
Dieser Darstellung widerspricht Philine Erni: Man habe den Vorstand bereits im Dezember über den Konflikt informiert, aber passiert sei nichts. Erni war während zweier Jahre für die Kommunikation und die Programmation in Solothurn zuständig; sie verliess die Literaturtage per Ende Mai. Allgemein habe der Vorstand in diesem Konflikt nicht wirklich eine deeskalierende Rolle gespielt, sagt sie. «Das Team hat schliesslich im Februar von sich aus entschieden, sich einer Supervision zu unterziehen.» Doch gefunden hätten sich die beiden Geschäftsleiter:innen nicht mehr.
«Der Vorstand hat vor drei Jahren ein komplettes Team verloren und riskiert nun nochmals dasselbe», so Erni, das verstehe sie nicht. Gemeinsam mit Widmer hat sie sich für eine Interimsleitung anerboten, was jedoch abgelehnt wurde. Der Vorstand äussert sich auf Nachfrage nicht zu Bewerbungs- und Personalfragen.
Die Geschichte scheint sich einmal mehr zu wiederholen: 2022 trat Dani Landolf als Geschäftsleiter der Literaturtage nach nur zwei Ausgaben zurück, weil er vom Vorstand nicht die Unterstützung erhalten hatte, die er sich bei der Weiterentwicklung des Festivals gewünscht hätte. Und Bettina Spoerri verliess Solothurn 2013 nach nur einer Ausgabe und kritisierte, dass der Vorstand (der damals anders zusammengesetzt war als heute) nicht hinter ihr gestanden sei.
Sowohl knappe Ressourcen wie auch die Vereinsstruktur, die auf viel ehrenamtlicher Arbeit basiert, machen die Literaturtage für Konflikte anfällig. Hinzu kommt, dass sich bei der Geschäftsleitung nicht nur inhaltliche und administrative Arbeiten anhäufen, sondern auch unterschiedlichste Erwartungen: jene der Besucher:innen, der Autor:innen, der Branche, der Geldgeber:innen, aber auch des Vereins.
Die Geschäftsführung soll nächstens ausgeschrieben werden, ein neues Kapitel wird aufgeschlagen. Und einmal mehr verlieren die Literaturtage kompetente und engagierte Mitarbeitende – und mit ihnen viel Know-how und Wissen.