Monsanto in Brasilien: Vielleicht ist bald Schluss mit «Agrodespotismus»
In Brasilien bahnt sich eine Entscheidung des Obersten Gerichts an, die Millionen BäuerInnen das Leben erleichtern könnte. Grund dafür ist das Urteil im Fall einer 2009 eingereichten Sammelklage von BäuerInnenverbänden gegen den US-Gentechkonzern Monsanto, dem weltweit führenden Anbieter von gentechnisch verändertem (GVO) Saatgut und Biotechnologie. Die BäuerInnen klagten dagegen, dass ihnen der Konzern die Wiederaussaat des GVO-Sojasaatguts der Sorte Roundup Ready verbietet respektive dafür Lizenzgebühren verlangt. Bisher trat Monsanto in dieser Frage des Patentrechts vor allem als – erfolgreicher – Kläger in Erscheinung. So hat der Konzern seit 1997 allein in den USA knapp 150 Klagen gegen BäuerInnen wegen Patentverletzungen eingereicht, weil diese Samen aus einer Ernte für die Aussaat im nächsten Jahr verwendet hätten.
Anfang April entschied nun ein Gericht im Bundesstaat Rio Grande do Sul in erster Instanz, dass die bislang erhobenen Lizenzgebühren auf jegliche Weiterverwertung «rechtswidrig und missbräuchlich» seien. Das Gericht erliess gegen den Konzern eine einstweilige Verfügung, mit der die Einziehung der Lizenzgebühren suspendiert wird. Zudem muss Monsanto die bereits erhobenen Gebühren seit 2003 zurückerstatten, da seine «Geschäftspraktiken» die «Vorschriften des brasilianischen Sortengesetzes verletzen». Monsanto hat Berufung eingelegt und kürzlich in zweiter Instanz die Erlaubnis erhalten, weiter Lizenzgebühren einzufordern. Nun wird der Fall vor dem obersten Gerichtshof des Landes verhandelt. Würde das Gericht, das noch im Mai seine Entscheidung fällt, das Urteil von Rio Grande do Sul in letzter Instanz bestätigen, so hätte «Monsanto haushoch verloren», sagt der brasilianische Agraranalyst Daniel Coelho Barbosa. Doch selbst wenn Monsanto Lizenzgebühren in der Höhe von umgerechnet über acht Milliarden Franken zurückzahlen müsste, kämen die BäuerInnen nicht automatisch zu ihrem Recht. «Jeder Einzelne müsste dann die Rückzahlung in einer Einzelklage einfordern», sagt Coelho Barbosa.
Ein entsprechendes Urteil könnte für den Agrarmulti auch zukünftig hohe Einbussen zur Folge haben, so bei der geplanten Einführung einer neuen GVO-Sojasorte namens Intacta RRpro. Diese sei laut Monsanto noch «effizienter und resistenter» als die bisher verwendete Sorte Roundup Ready. Für den von Monsanto eigenmächtig und grosszügig prognostizierten Mehrwert will der Konzern fünfmal höhere Lizenzgebühren als bisher fordern. Das sei laut Coelho Barbosa «Agrodespotismus».