Klimapolitik: Gutscheine für Luftverschmutzung
Die Schweizer Luftfahrt erhält noch mehr Subventionen als bislang bekannt. Dass sie diese beschlossen haben, war jedoch vielen Parlamentarier:innen gar nicht klar.
Zürich–Berlin für 37 Franken, Basel–London für 24 Franken. Auf der Schiene kommt man in der Schweiz damit von vielen Orten nicht mal bis zur Landesgrenze. Man sollte meinen, dass wir uns alle einig sind: Fliegen ist zu billig!
Das sehen Politik und Verwaltung offensichtlich anders. Anstatt das Fliegen zu verteuern, wurden in den letzten Monaten gleich mehrere Entscheidungen getroffen, die den Fluggesellschaften neue versteckte Subventionen zuspielen.
Einerseits hat das Parlament Ende 2024 entschieden, Unterstützungsgelder von den Nachtzügen zur Luftfahrt umzuverteilen (siehe WOZ Nr. 13/25) – zwanzig Millionen Franken werden anstatt in den Ausbau des Nachtzugnetzes in den Produktionsausbau von erneuerbaren Treibstoffen, sogenannte Sustainable Aviation Fuels (SAFs), fliessen. Andererseits sollen die Airlines nun neu auch noch für das Beimischen dieser SAFs entschädigt werden.
Ab diesem Jahr in der Europäischen Union (EU) und voraussichtlich ab 2026 in der Schweiz müssen Airlines dem fossilen Kerosin einen bestimmten Prozentsatz dieser SAFs beimischen. 2025 sind das erst zwei Prozent des gesamten Treibstoffs. Ab 2030 müssen es sechs Prozent sein. Der Anteil wird weiter ansteigen, bis man 2050, so die Hoffnung, bei siebzig Prozent angelangt sein wird.
Weil SAFs teurer sind als normales Kerosin, hätten Swiss und Co. damit mehr Geld für den Treibstoff bezahlen müssen. Die zusätzlichen Kosten hätten sie wahrscheinlich auf die Flugtickets abgewälzt, wodurch das Fliegen teurer geworden wäre. Daraus wird nun aber nichts. Denn in der Schweiz und auch in der EU will man die Airlines für das Beimischen der SAFs entschädigen. Der Aufpreis für diese soll ihnen teilweise in Form kostenloser Emissionsrechte vom Staat zurückerstattet werden – so steht es in der neusten Version der CO₂-Verordnung, die in den letzten Monaten in der Vernehmlassung war.
Staatliche Emissionsgutscheine
Was machen die Airlines mit diesen Emissionsrechten? Damit Treibhausgase zurückgehen, müssen sie einen Preis haben. Diese Bepreisung geschieht in der Schweiz über verschiedene Mechanismen. Über die normale CO₂-Abgabe bezahlen Privathaushalte zum Beispiel 120 Franken pro Tonne Treibhausgase, wenn sie Heizöl einkaufen. Airlines bezahlen jedoch keine CO₂-Abgabe für die Emissionen aus ihrem Kerosin. Sie dürfen ihren Ausstoss stattdessen im Emissionshandelssystem (EHS) abrechnen. Über dieses müssen die Airlines dem Staat pro Tonne Treibhausgase ein Emissionsrecht abgeben – diese Rechte sind also eine Art Bewilligung, um die Luft mit einer Tonne CO₂ zu belasten. Müssten die Airlines diese Verschmutzungslizenzen kaufen, würde das aktuell rund siebzig Euro pro Tonne CO₂ kosten. Die Emissionsrechte, die die Airlines vom Staat für das Beimischen der SAFs umsonst erhalten, stellen demnach eine Art Gratislizenzen für das Verschmutzen der Atmosphäre dar. Das klingt schräg, ist aber genau so.
Eigentlich war geplant, diese Emissionsgutscheine auslaufen zu lassen. «Ab 2026 werden sämtliche Emissionsrechte versteigert und nicht mehr kostenlos zugeteilt», schreibt das Bundesamt für Umwelt (Bafu) auf seiner Website. Ganz abschaffen will man sie nun offensichtlich doch nicht.
Was sagt die Politik?
Auch bei der Umverteilung der Nachtzuggelder an die Luftfahrt bleiben Fragezeichen. Denn die Entscheidung, die Produktion der SAFs mit zusätzlich zwanzig Millionen Franken zu fördern, wurde vom Parlament nicht direkt gefällt, sondern indirekt, dadurch, dass National- und Ständerat entschieden haben, bei der Nachtzugförderung zwanzig Millionen zu streichen. Da es im entscheidenden Artikel im CO₂-Gesetz aber nur die Möglichkeit gibt, das Geld entweder zu den Nachtzügen oder zu den SAFs zu schieben, führt jede Kürzung bei den Nachtzügen automatisch zu einer Aufstockung bei den SAFs – sparen oder mehr Geld für die Bundeskasse generieren kann man damit nicht. War dem Parlament überhaupt klar, wohin das Geld fliessen wird, wenn man bei den Nachtzügen den Rotstift ansetzt?
Immerhin verkaufte Finanzministerin Karin Keller-Sutter (FDP) dem Parlament die Kürzung bei den Nachtzuggeldern ziemlich direkt als Entlastung des Bundeshaushalts – man könne dadurch zusätzlichen Handlungsspielraum schaffen, gab sie zu bedenken. Aber eben: Die zwanzig Millionen Differenz landen einfach im Kässeli für die SAFs.
Die Parlamentsmitglieder, die das CO₂-Gesetz am besten kennen und deshalb hätten merken können, dass hier etwas nicht stimmt, sind jene aus den Umweltkommissionen. Eine davon ist die SP-Nationalrätin Gabriela Suter. Auf Anfrage schreibt sie: «Dass das Streichen der Subventionen für Nachtzüge dazu führt, dass mehr Subventionen für SAF freiwerden, kann man dem Gesetzestext direkt entnehmen und war mir völlig klar.» Nationalrätin Aline Trede von den Grünen, ebenfalls Mitglied der Umweltkommission, sagt hingegen: «Ich glaube schon, dass es den meisten klar war, dass es keine Entlastung für den Bundeshaushalt gibt. Dass die Förderung woanders hinfliesst, war hingegen nicht Gegenstand der Debatte.»
«Nicht Sinn der Übung»
Klar ist: In der gesamten Debatte machte kein einziges Ratsmitglied seine Kolleg:innen darauf aufmerksam, dass eine Kürzung bei den Nachtzügen ein Aufstocken bei der Luftfahrt bedeutet. Genau das wäre jedoch notwendig gewesen. Mitte-Nationalrat Stefan Müller-Altermatt schreibt auf Anfrage: «Wie wohl die meisten Kolleginnen und Kollegen hatte ich tatsächlich diesen Mechanismus nicht mehr präsent.» Man müsse wohl davon ausgehen, dass die meisten glaubten, damit den Bundeshaushalt zu entlasten. Ähnlich geht es GLP-Nationalrat Martin Bäumle, und er ergänzt: «Das hätte ich oder die vorberatenden Finanzkommissionen eigentlich merken müssen.» Christian Imark, SVP-Mitglied und Präsident der nationalrätlichen Umweltkommission, bestätigt: «Das war für die allermeisten Räte wohl tatsächlich nicht Sinn der ganzen Übung.»
Auch hinsichtlich der Unterstützung der Airlines – in Form von Gratisemissionsrechten für das Zumischen der SAFs – bestehen Zweifel, ob sich das Parlament bei der Überarbeitung des CO₂-Gesetzes bewusst war, in welchem Ausmass die Luftfahrt weiterhin von Gratisrechten profitieren wird. Für Bäumle zieht man dabei lediglich mit der EU gleich: «Da haben wir wenig Spielraum für eigene Lösungen.» Suter hingegen meint: «Ich glaube nicht, dass in der Detailberatung gesagt wurde, man wolle diejenigen, die die SAF-Pflicht erfüllen, noch zusätzlich belohnen.»
Tür und Tor für Lobbyarbeit geöffnet
Was zeigt diese Episode? Die Schweizer Klimagesetze umfassen über 150 Seiten und exakt 239 Artikel. Geregelt werden auf diesen Seiten nicht nur ein, sondern zwei Emissionshandelssysteme. Zudem die CO₂-Abgabe, Flottenzielwerte, Kompensationsprojekte, CO₂-Zielvereinbarungen, Gebäudesanierungen und vieles mehr. Selbst für die engagierteste Volksvertretung dürfte es schwer sein, den Überblick zu behalten. Aber genau diese Komplexität ist gefährlich, denn das öffnet Tür und Tor für Lobbyarbeit. Vor allem bei einer Regierung, die bekanntlich den Branchen nahesteht, die nach wie vor fossil getaktet sind.